Tag will herauf.
Nacht wehrt nicht mehr dem Licht.
O Morgenwinde,
die den Geist in ungestüme Meere treiben!
Schon brechen Vorstadtbahnen
fauchend in den Garten
Der Frühe. Bald sind Straßen, Brücken
wieder von Gewühl und Lärm versperrt –
O jetzt ins Stille flüchten! Eng im Zug der Weiber,
der sich übern Treppengang zur Messe zerrt,
In Kirchenwinkel knien!
O, alles von sich tun, und nur in Demut
auf das Wunder der Verheißung warten!
O Nacht der Kathedralen!
Inbrunst eingelernter Kinderworte!
Gestammel unverstandner Litanein, indes die Seelen
in die Sanftmut alter Heiligenbilder schauen ...
O Engelsgruß der Gnade ...
ungekannt im Chor der Gläubigen stehn
und harren, daß die Pforte
Aufspringe, und ein Schein uns kröne
wie vom Haar von unsrer lieben Frauen.

Ernst Stadler

DENKSCHATZ_MORE_FROM

deutscher Schriftsteller und Wegbereiter expressionistischer Lyrik, Übersetzer u.a. französischer Literatur
* 11.8. 1883 - Colmar
30.10. 1914 - Zandvoorde , Belgien
Please login to view comments and to post

We use cookies on our website. Some of them are essential for the operation of the site, while others help us to improve this site and the user experience (tracking cookies). You can decide for yourself whether you want to allow cookies or not. Please note that if you reject them, you may not be able to use all the functionalities of the site.