Gedichte von Friedrich Förster

Friedrich Förster

deutscher Historiker und Dichter, Schriftsteller
* 24.9. 1791 - Münchengosserstädt bei Altenburg
8.11. 1868

Ein kleines Blau – Veilchen
Stand eben erst ein Weilchen
Unten im Tal am Bach.
Da dacht´ es einmal nach und sprach:
"Daß ich hier unten blüh´,
Lohnt sich kaum der Müh´,
Muß mich überall bücken und drücken,
Bin so ins Niedre gestellt,
Sehe gar nichts von der Welt;
Drum wär´ es ganz gescheit getan,
Ich stieg ein bißchen höher hinan!" -
Und wie gesagt, so getan.
Aus dem Wiesenland mit eigener Hand
Zieht es ein Beinchen nach dem andern
Und begibt sich auf´s Wandern.
"Drüben der Hügel wär´ mir schon recht;
Wenn ich den erreichen möcht´,
Könnt´ ich ein Stückchen weiter sehn;
Dahin will ich geh´n!"
Und so im behenden Lauf,
Steigt das Veilchen den Hügel hinauf,
Pflanzt sich dort oben ein
Im schönen Sonnenschein.
Kaum aber hat es hier einen Tag gestanden,
Meint es: "Von allen Landen
Sieht man hier oben kein großes Stück;
Man hat keinen freien Blick.
Aber auf jenem Berge dort, das wär´ ein Ort,
Wo ich wohl möchte stehn, um die weite Welt zu sehn.
Drum wär´ es noch gescheiter getan,
Ich stieg ein bißchen höher hinan!" -
Und wie gesagt, so getan.
Aus dem Hügel, wo es stand, zieht es mit eigner Hand
Ein Beinchen nach dem andern
Und begibt sich auf´s Wandern,
Doch den Berg hinauf geht es nicht in so raschem Lauf:
Es muß sich verpusten, muß öfters ruh´n.
Endlich mit niedergetretenen Schuh´n,
Auf beschwerlicher Bahn, kommt´s Veilchen oben an,
Pflanzt sich dort wieder ein
Im hellen Sonnenschein.
"Ei," spricht es, "hier ist es schön!
Aber Alles kann man doch nicht sehn:
So ein Berg ist doch nur ein Zwerg,
Auf der Alp da droben, das wär´ eher zu loben,
Da möcht´ ich wohl sein!
Da guckt´ ich bis in den Himmel hinein,
Hörte die Englein musizieren,
Säh´ unsern Herrgott die Welt regieren!" -
Und aus dem Berge, wo es stand,
Zieht es wieder mit eigener Hand
Ein Beinchen nach dem andern,
Begibt sich noch einmal auf´s Wandern.
Die reise macht diesmal viel Beschwer;
Kein Weg, kein Steg war rings umher;
Dem Veilchen flimmert´s vor dem Blick;
Es schwindelt, es kann nicht wieder zurück;
Da setzt es die letzte Kraft noch d´ran,
Zum Tode ermattet komm´s oben an.
Ach! Da war der Boden von Stein,
Kann mit den Füßchen nicht hinein;
Der Wind, der bläst so hart;
Das Veilchen vor Frost erstarrt:
Es zappelt mit allen Würzlein,
Bedeckt sich mit dem grünen Schürzlein,
Friert sehr an Händen und Beinen;
Da fängt´s bitterlich an zu weinen;
Die blauen Bäckchen werden weiß;
Die Tränen gefrieren darauf zu Eis:
"Ach! wär´ ich geblieben im Tale dort!"
Das war Blau – Veilchens letztes Wort,
Drauf sank es um und blieb stumm. –
Hast du im Tal ein sichres Haus,
Dann wolle nie zu hoch hinaus!

Gedichte by Friedrich Förster
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