Auf deinem Grabe saß ich stumm
In lauer Sommernacht;
Die Blumen blühten rings herum,
Die schon dein Grab gebracht.
Und still und märchenhaft umfing
Ihr Duft mich, süß und warm,
Bis ich in sanftem Weh verging,
Wie einst in deinem Arm.

Und meine Augen schlossen sich,
Vom Schlummer leicht begrüßt;
Mir war, als würden sie durch dich
Mir leise zugeküßt.
Still auf den Rasen sank ich hin,
Der deinen Staub bedeckt,
Doch ward zugleich der inn´re Sinn
Mir wunderbar geweckt.

Was ich geträumt, ich weiß es nicht,
Ich ahn es nur noch kaum,
Daß du, ein himmlisches Gesicht,
Mir nahe warst im Traum.
Doch, was dies flücht´ge Wiedersehn
In meiner Brust geschafft,
Das kann die Seele wohl verstehn,
Die glüht in neuer Kraft.

Du hast der Dinge Ziel und Grund
An Gottes Thron durchschaut,
Und tatest kühn mir wieder kund,
Was dir der Tod vertraut.
Und wenn das große Lösungswort
Auch mit dem Traum entschwand,
So wirkt es doch im Tiefsten fort,
Gewaltig, unerkannt!

Friedrich Hebbel

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deutscher Dichter und Lyriker
* 18.3. 1813 - Wesselburen/Dithmarschen
13.12. 1863 - Wien , Österreich
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