Willst du nicht dich schließen,
Herz, du offnes Haus!
Worin Freund´ und Feinde
Gehen ein und aus?

Schau, wie sie verletzen
Dir das Hausrecht stets!
Fühllos auf und nieder,
Polternd, lärmend geht´s.

Keiner putzt die Schuhe,
Keiner sieht sich um,
Staubig brechen alle
Dir ins Heiligtum;

Trinken aus den goldnen
Kelchen des Altars,
Schänden Müh´ und Segen
Dir des ganzen Jahrs:

Werfen die Penaten
Wild vom Herde dir,
Pflanzen drauf mit Prahlen
Ihr entfärbt Panier.

Und wenn zu verwüsten
Nichts sie finden mehr,
Lassen sie im Scheiden
Dich, mein Herz, so leer!

Nein! und wenn nun alles
Still und tot in dir,
O, noch halt dich offen,
Offen für und für!

Laß die Sonne scheinen
Heiß in dich hinein,
Stürme dich durchfahren
Und den Wetterschein!

Wenn durch deine Kammern
So die Windsbraut zieht,
Laß dein Glöcklein stürmen,
Schallen Lied um Lied!

Denn noch kann´s geschehen,
Daß auf irrer Flucht
Eine treue Seele
Bei dir Obdach sucht!

Gottfried Keller

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schweizerischer Dichter und Politiker
* 19.7. 1819 - Zürich
15.7. 1890 - Zürich
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