Mariechen saß am Rocken,
Im Grase schlummert´ ihr Kind;
Durch ihre schwarzen Locken
Weht´ kühl der Abendwind.

Sie saß so sinnend, so traurig,
So ernst und geisterbleich;
Dunkle Wolken zogen schaurig,
Und Wellen schlug der Teich.

Der Reiher kreist´ über dem Rohre,
Die Möwe streift´ wild umher,
Der Staub fegt´ wirbelnd am Wege,
Schon fielen die Tropfen schwer.

Und schwer von Mariechen´s Wangen
Die heiße Thräne rinnt,
Und weinend in ihre Arme
Schließt sie ihr schlummernd Kind.

Wie schläfst Du so ruhig und träumest,
Du armer, verlaß´ner Wurm!
Es donnert, die Tropfen fallen,
Die Bäume schüttelt der Sturm!

Dein Vater hat Dich vergessen,
Dich und die Mutter Dein;
Du bist, du armer Waise,
Auf der weiten Erde allein!

Dein Vater lebt lustig in Freuden;
Gott laß´ es ihm wohl ergeh´n;
Er weiß nichts von uns Beyden,
Will Dich und mich nicht seh´n!

Und stürzt´ ich, während Du schlummerst,
Mit Dir in den tiefen See,
Dann sind wir Beyde geborgen,
Vorüber ist Gram und Weh! –

Da öffnet das Kind die Augen,
Blickt freundlich auf und lacht;
Die Mutter schluchzt und preßt es
An ihre Brust mit Macht!

Nein, nein, wir wollen leben,
Wir Beyde, Du und ich!
Deinem Vater sey vergeben,
Wie selig macht´ er mich! –

Joseph Christian Freiherr von Zedlitz
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