Ich komme zu dir in der Nacht,
Und auf die Stirn gar lind und sacht
Leg ich der Liebe treue Hand,
Daß sie die bösen Schmerzen bannt.
Ich neige mich auf dein Lager nieder
Und streichle deine zarten Glieder.
Den brennend sehnsuchtskranken Mund
Küß´ ich mit einem Kuß gesund.
Mein Lieb, hörst du mich denn nicht kommen?
Ich gleite durch die weite Nacht,
Hab´ meinen Flug zu dir genommen,
Ich weiß, auch deine Seele wacht.
Sie sucht des Freundes Bild im Schatten
Und will vor Harren fast ermatten,
Denn lange, lange währt die Frist,
Bis ihr der Freund beschieden ist. –
Fühlst du mich nicht? O laßt euch rühren,
Geheime Geister der Natur!
Laßt Blick und Hand und Hauch sie spüren,
Als sei ein Traum die Trennung nur!

Karl Henckell

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deutscher Lyriker und Schriftsteller, Sozialrevolutionär
* 17.4. 1864 - Hannover
† 1929 - Muri bei Bern
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