Wenn die Luft ´mal verbraucht
Um den Erdball herum,
Verbraucht und verhaucht
Und verraucht – o wie dumm!

O wie dumm, denn dann ist´s
Mit der Liebe zu End Und Frau Wollust geht betteln
Ueber ödes Geländ´.

Ueber Leichen von Pflanzen,
Von Mensch und Gethier –
Und sie beugt sich und horcht
In das tote Revier.

Nicht Fünkchen noch Keim,
Nicht Wurm noch Insekt,
Kein Blutstropf, in dem noch
Ein Lebenshauch steckt!

Und sie schnüffelt an den Leichen
Und kniet sich hinab
Und besinnt sich, wo Verwesung
Ihr Sättigung gab.

Dort drüben sitzt der Tod
Auf dem nackten Gestein,
Nickt schlaffaul herüber,
Nickt kopfschüttelnd ein.

Und die Wollust erhebt sich,
das trostlose Weib,
Schleicht greinend von dannen
Mit schlotterndem Leib.

"O Kinder, meine Kinder,
Nun ist Alles zu End´,
Seit die Sonne so glanzlos
Vom Weltall her brennt."

Dann besteigt sie das Steinmal,
Wo im Schatten versteckt,
Der Tod sich jetzt giersatt
Zur Ruh hingestreckt.

"O Kinder, meine Kinder,
Nun ist Alles vorbei,
Seit das Meer nur noch Schlund ist
Und vergurgelnder Brei."

Und noch ein Mal ringt ein Seufzer
Hohl klanglos sich los –
Dann sinkt sie dem Tod
In den knöchernen Schooß.

Ludwig Scharf

Additional Information

›Verstreut veröffentlichte und handschriftlich überlieferte Gedichte‹ (1883-1926), in: »Ludwig Scharf: Gesammelte Lyrik und Prosa. Mit einer Auswahl aus dem Briefwechsel«, hg. v. Walter Hettche, Aisthesis Archiv 16, Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2011. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Aisthesis Verlags

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deutscher Lyriker
* 2.2. 1864 - Meckenheim, Pfalz
21.8. 1938 - Schloß Patosfa bei Kaposvár, Königreich Ungarn
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