Und folgst du neuer Lust und Pflicht,
Des Sommers schweren Kranz im Haar,
Dein edles Herz begeifre nicht,
Was deiner Jugend heilig war!

Und wenn die Lockung dich umgirrt,
Zu schmäh´n, was einst dir köstlich galt,
Gesteh´ mit Mut: ich hab´ geirrt;
Doch lästre nicht, was leis verhallt.

Gedenk´ der Schlösser, die du einst
Im Schmuck der Waffen stolz verließt;
Sie bergen viel, was du beweinst,
Und was du nimmer wieder siehst.

Wenn du des Lebens Feinde schlugst,
Verhöhn´ sie nicht, sei mitleidsvoll;
Und selbst der Ketten, die du trugst,
Gedenke ohne Haß und Groll.

Wenn du aus Banden dich befreist,
Die deiner Jugend Fleisch gepreßt,
In diesen Fesseln lebt ein Geist,
Der sich nicht lachend spotten läßt.

Und wenn die Hand im sonn´gen Tal
Sich neuen Lenzes Blüten rafft,
Mahnt dich ein altes Wundenmal
An jener Kerker dunkle Haft.

Und stehst du trotzig und befreit,
In deinen Ruhm, in deine Schmach
Tönt dir aus ferner Leidenszeit
Das Klirren alter Ketten nach.

Rudolf Presber

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deutscher Journalist und Dichter, Dramatiker, Romancier, Erzähler
* 4.7. 1868 - Frankfurt/Main
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