Nun hab´ ich mein grämliches Winterweh
Sechs Monde mystisch gehütet
Und hab´ auf manchem ästhetischen Tee
Pessimistische Eier gebrütet.

Mein Büchlein, das meinen Gram umschloß,
Kam in die besten Familien;
Mein Büchlein, das meinen Kummer ergoß
Auf stilisierte Lilien.

Die schlanken Mondänen durchforschten´s mit Fleiß,
Und heimlich lasen´s die Zofen;
Und alle tranken literweis
Mein Herzblut aus meinen Strophen.

Sie lobten an meiner Seele Not
Die Feuer, die zuckend verflammten,
Und sprachen von meinem nahen Tod
Mit der Ruhe des Standesbeamten…

Doch heut´ ist draußen der Frühling erwacht,
Schon duftet´s nach hellen Syringen –
Mein Herz spürt die Sonne und klopft und lacht
Und hört die Knospen springen.

Mein Herz zerreißt seinen Trauerflor,
Meine Jugend wird wieder munter,
Sie haut der Sorge eins hinter das Ohr
Und schmeißt sie die Treppe hinunter.

Vom junggrünen Teppich der Wiese her
Klingen Schalmeien und Tänze…
So werf´ ich hinter der Fliehenden her
Die raschelnden Lorbeerkränze.

Und blinzelt zur Nacht mir ein lustiger Stern,
Ich folg´ ihm augenblicklich –
O Gott, wie bin ich unmodern!
O Gott, wie bin ich glücklich!

Rudolf Presber

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deutscher Journalist und Dichter, Dramatiker, Romancier, Erzähler
* 4.7. 1868 - Frankfurt/Main
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