Das ist eine traurige Chose
Wozu ist einer Prophet?
Nun sehn Sie bloß, wies Mose
Nach tausend Jahren geht!

Der Glaube ist geschwunden,
Daß ihn in Schilf und Moos
Am heiligen Nil gefunden
Die Tochter des Pharaos.

In neuer Forschung Scheine
Der Zweifel war entfacht:
Ob er die heiligen Steine
Vom Sinai gebracht.

Und kritische Virtuosen,
Die haben bald negiert:
Daß aus dem Lande Gosen
Die Juden habe er geführt.

Und jetzt ist gar zu lesen:
Daß hier ein Trug gewebt,
Und nie ein Mann gewesen,
Der seine Tat gelebt…

Wenn also, sollt ich meinen,
Die Größe schrumpft zusamm,
Wie gehts dann erst den Kleinen,
Die nicht aus Levis Stamm?

Die keines Himmels Gnade
Im Feuerbusch gespürt,
Die keine Bundeslade
Ins Jordantal geführt?

Die Wunder nie zur Lehre
Des Pharao getan,
Die nie im Roten Meere
Den Feind versinken sahn…?

Mein Gott, wer wird in Not sein,
Weil ihn die Welt vergißt.
Wir werden eben tot sein,
So tot wie Moses ist.

Und keiner wird mehr fragen,
Wenn ihm das Bett bestellt,
Ob seinen Namen tragen
Ein Hauch wird durch die Welt.

Rudolf Presber

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deutscher Journalist und Dichter, Dramatiker, Romancier, Erzähler
* 4.7. 1868 - Frankfurt/Main
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