Es sitzen drei Burschen bei funkelndem Wein
Und denket ein jeder der Liebsten sein.

Der erste schauet betrübt in sein Glas,
Seine Wange ist bleich und sein Auge ist naß:

"Die einst mich geliebet mit Herz und mit Mund,
Sie lieget gebettet im Grabesgrund.

Ihr holdes Wesen und Angesicht
Vergesse ich all mein Lebtag nicht!

So lange ich wandle im Erdental,
Werd ich sie missen in Schmerz und Qual.

Der zweite schiebet sein Glas beiseit:
"Mein Liebste hat einen andern gefreit.

Sie gab sich als Gattin dem lieblosen Mann,
Der mit blinkendem Golde ihr Herz gewann.

Sie küßt ihn, die Falsche, und lächelt dazu,
Ich aber finde nicht Friede noch Ruh´."

Der Dritte hebet sein Glas in der Hand:
"Das Glück der Liebe hat nicht Bestand.

Ich küsse mein Liebchen mit glühendem Kuß,
Weil ich weiß, daß ich wieder es lassen muß.

Und gehn wir vonsammen für ewige Zeit,
So haben wir dessen noch Reu noch Leid.

Die Liebe ist flüchtig, das Leben ists auch
Und Finden und Scheiden ist überall Brauch!"

Feodor von Wehl

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deutscher Schriftsteller und Redakteur, Dramaturg, Theaterkritiker, Geheimer Hofrat
* 1821
† 1890
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