Schöner Monat Mai, wie gräßlich
Sind dem Kater deine Stunden,
Des Gesanges Höllenqualen
Hab´ ich nie so tief empfunden.

Aus den Zweigen, aus den Büschen
Tönt der Vögel Tirilieren,
Weit und breit hör´ ich die Menschheit
Wie im Taglohn musizieren.

In der Küche singt die Köchin,
Ist auch sie von Lieb´ betöret?
Und sie singet aus der Fistel,
Daß die Seele sich empöret.

Weiter aufwärts will ich flüchten,
Auf zum luftigen Balkone,
Wehe! – aus dem Garten schallt der
Blonden Nachbarin Kanzone.

Unterm Dache selber find´ ich
Die gestörte Ruh´ nicht wieder,
Nebenan wohnt ein Poet, er
Trillert seine eignen Lieder.

Und verzweifelt will ich jetzo
In des Kellers Tiefen steigen,
Ach! – da tanzt man in der Hausflur,
Tanzt zu Dudelsack und Geigen.

Harmlos Volk! In Selbstbetäubung
Werdet ihr noch lyrisch tollen,
Wenn vernichtend schon des Ostens
Tragisch dumpfe Donner rollen!

Joseph Victor von Scheffel

Zusätzliche Informationen

»Der Trompeter von Säckingen. Lieder des Katers Hiddigeigei«, 1854
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