Gedichte von Theodor Fontane

Theodor Fontane

Theodor Fontane

deutscher Dichter und Apotheker, Journalist, Theaterkritiker
* 30.12. 1819 - Neuruppin
20.9. 1898 - Berlin , Deutschland

John Maynard!
"Wer ist John Maynard?“
"John Maynard war unser Steuermann,
Aus hielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“

Die »Schwalbe« fliegt über den Eriesee,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo,
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Frau‘n
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?“
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund
"Noch dreißig Minuten… halbe Stund.“
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei
Da klingt‘s aus dem Schiffsraum her wie ein Schrei:
"Feuer!“ war es was da klang
Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
Ein Qualm dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere buntgemengt,
Am Bugspriet stehen sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich‘s dicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir, wo?“
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durch‘s Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?“ "Ja Herr, ich bin.“
"Auf den Strand! In die Brandung!“ "Ich halte drauf hin!“
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!“
Und noch zehn Minuten bis Buffalo.

"Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt‘s
Mit ersterbender Stimme: "Ja Herr, ich halt‘s!“
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagd er die »Schwalbe« mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: Der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt,
Gerettet alle, nur einer fehlt!
Alle Glocken geh‘n; ihre Töne schwell‘n
Himmelan aus Kirchen und Kapell‘n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heut hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Auge im Zug, das tränenleer.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldener Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard“

Der Schnee leis´ stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan."

Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

"Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all´,
Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So laßt sie´s hören, daß wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!"

Da huben sie an und sie wurden´s nicht müd´,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."

Gedichte von Theodor Fontane
0 0

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.