Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,Was sehnend mir das Herz gradüber trägt;Was mir die kühngeschwungene Brücke schlägt,Ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.Sie ist so eng, die grüne Erdenzeit,Unendlich aber, was den Geist bewegt!Wie wenig ist´s, was ihr im Busen hegt,Da ihr so satt hier, so vergnüglich seid!
Die Sonne führt durchs MorgentorGoldfunkelnd über den Bergen,Und wie zwei Veilchen im frühen Mai,Zwei blaue Augen klar und frei,Die lachen auf ihren WegenGeöffnet ihr entgegen. Glück auf, mein Liebchen ist erwachtMit purpurroten Wangen!Ihr Fenster glitzert im MorgenstrahlUnd alle Blumen im Garten und TalErwarten sie mit Sehnen,Die Äuglein voller Tränen. Es ist nichts Schöneres in der WeltAls diese grüne Erde,Wenn man darauf ein Schätzlein hat,Das still und innig, früh und spat,Für einen lebt und blühet,Ein heimlich Feuerlein glühet. "Hallo, du später Jägersmann,Was reibst du deine Augen?"Ich hab´ die ganze Nacht geschwärmtUnd mich am Mondenschein gewärmt,Und steige frisch und munterVom hohen Berg herunter. Mein Mädchen durch den Garten gehtUnd singt halblaute Weisen;Mich dünkt, ich kenne der Lieder Ton,Was gilt´s, ich habe sie alle schonHeut nacht dort oben gesungen!Sie sind herübergeklungen.
Die Zeit geht nicht, sie stehet still, Wir ziehen durch sie hin; Sie ist die Karawanserei, Wir sind die Pilger drin. Ein Etwas, form- und farbenlos, Das nur Gestalt gewinnt, Wo ihr drin auf und nieder taucht, Bis wieder ihr zerrinnt. Es blitzt ein Tropfen Morgentau Im Strahl des Sonnenlichts; Ein Tag kann eine Perle sein Und ein Jahrhundert nichts. Es ist ein weißes Pergament Die Zeit, und jeder schreibt Mit seinem roten Blut darauf, Bis ihn der Strom vertreibt. An dich, du wunderbare Welt, Du Schönheit ohne End´, Auch ich schreib´ meinen Liebesbrief Auf dieses Pergament. Froh bin ich, daß ich aufgeblüht In deinem runden Kranz; Zum Dank trüb´ ich die Quelle nicht Und lobe deinen Glanz.
Rinne sanft, du weiche Welle, Schöner Flachs, durch meine Hände, Daß ich dich mit stiller Schnelle Fein zum goldnen Faden wende! Du Begleiter meiner Tage Wirst nun bald zum Tuch erhoben, Dem ich alle Lust und Klage Singend, betend eingewoben. Wie so schwer bist du von Tränen, Schwer von Märchen und von Träumen, Wie so schwer vom schwülen Sehnen Nach des Lebens Myrtenbäumen! Ahnt wohl er, du traute Linne, Welch geheimnisvolle Dinge, Welchen Schatz der tiefsten Minne Ich mit dir ins Haus ihm bringe? Kühler Balsam seinen WundenSollst du werden, mein Gewebe – Wohl ihm, daß er mich gefunden Unter dieses Gartens Rebe! Wie durchdringt mich das Bewußtsein, Daß ich ganz sein Glück soll werden Und das Kleinod seiner Brust sein Und sein Himmel auf der Erden!
Die ersten Veilchen waren schonErwacht im stillen Tal;Ein Bettelpack stellt´ seinen ThronIn´s Feld zum ersten Mal.Der Alte auf dem Rücken lag,Das Weib, das wusch am See;Bestaubt und unrein schmolz im HagDas letzte Häuflein Schnee.Der Vollmond warf den SilberscheinDem Bettler in die Hand,Bestreut´ der Frau mit EdelsteinDie Lumpen, die sie wand;Ein linder West blies in die GlutVon einem Dorngeflecht,Drauf kocht´ in Bettelmannes HutEin sündengrauer Hecht.Da kam der kleine Betteljung´,Vor Hunger schwach und matt,Doch glühend in BegeisterungVom Streifen durch die Stadt,Hielt eine Hyazinthe darIn dunkelblauer Luft;Dicht drängte sich der Kelchlein Schar,Und selig war der Duft. Der Vater rief: Wohl hast du mirViel Pfennige gebracht?Der Knabe rief: O sehet hierDer Blume Zauberpracht!Ich schlich zum goldnen Gittertor,So oft ich ging, zurück,Bedacht nur, aus dem WunderflorZu stehlen mir dies Glück!O sehet nur, ich werde toll,Die Glöcklein alle an!Ihr Duft, so fremd und wundervoll,Hat mir es angetan!O schlaget nicht mich armen Wicht,Laßt euren Stecken ruh´n!Ich will ja nichts, mich hungert nicht,Ich will´s nicht wieder tun!O wehe mir geschlagnem Tropf!Brach nun der Alte aus,Mein Kind kommt mit verrücktem Kopf,Anstatt mit Brot nach Haus!Du Taugenichts, du TagediebUnd deiner Eltern Schmach!Und rüstig langt er Hieb auf HiebDem armen Jungen nach.Im Zorn fraß er den Hecht, noch eh Der gar gesotten war,Schmiß weit die Gräte in den SeeUnd stülpt´ den Filz auf´s Haar.Die Mutter schmält´ mit sanftem WortDen mißgeratnen Sohn,Der warf die Blume zitternd fortUnd hinkte still davon.Es perlte seiner Tränen Fluß,Er legte sich ins GrasUnd zog aus seinem wunden FußEin Stücklein scharfes Glas.Der Gott der Taugenichtse riefDer guten Nachtigall,Daß sie dem Kind ein Liedchen pfiffZum Schlaf mit süßem Schall.
Des Berges alte Wangen sindVon Maiensonne beschienen;Sie lächeln unter Quellenglanz,Die Schilfe, die Farren ergrünen.Die Kröte springt aus dem Kieselstein,Ein Hirt hat ihn zerschlagen;Sie schaut verdrossen die Scherben an,Und sie beginnt zu sagen:»Viel tausend Jahre bin ich altSamt diesem Futterale!Es schob vom hohen FelsgebirgAllmählich mit mir zu Tale.Doch manchmal in der Wasser SturzSind wir gewaltig gesprungen;Dann hat´s um meine dunkle KlausurGesungen und geklungen.Und wie mir ist – ich weiß es nicht,Noch was ich getrieben indessen;Ich hab im mindesten nichts gelerntUnd hatte nicht viel zu vergessen.Ein warmer Regen, ein grünes KrautNur konnten mir behagen;Sie liegen mir fort und fort im SinnAus fernen Jugendtagen.So hab ich ein langweilig StückUnsterblichkeit erworben;Hätt ich getrunken lebendige Luft,Längst wär ich vernünftig gestorben.«
Der Winter ist eine ehrliche Haut,Ein alter Poldrian;Wie zornig er mir ins Auge schaut,Blick ich ihn wiederum an!Sein Blut ist kühl und starr wie Eis,Doch nie seine Treue wankt;Wie oft hab ich mich nächtlicherweisMit ihm herumgezankt!Da rüttelt er mir am GartentorUnd stampft auf den Beeten herum,Er schimpft mich einen sanguinischen Tor,Leichtgläubig und herzlich dumm!Viel Hoffnungen zieh ich in Scherben aufAm kalten Sternenschein,Da ist er besonders versessen draufUnd stürmt auf sie herein.Ich balge mich immer, so gut ich kann,Um jedes grüne Reis;Er aber entrupft sie, der harte Mann,Den Scherben büschelweis.Doch die mir der Alte stehenläßt,Die sind erprobt und gefeit!Die sind gelenzet und frühlingsfestUnd der Erfüllung geweiht!
Willst du, o Herz, ein gutes Ziel erreichen,mußt du in eigner Angel schwebend ruhn;ein Tor versucht zu gehn in fremden Schuhn,nur mit sich selbst kann sich der Mann vergleichen!Ein Tor, der aus des Nachbars Kinderstreichensich Trost nimmt für das eigne schwache Tun,der immer um sich späht und lauscht und nunsich einen Weg bestimmt nach falschen Zeichen!Tu frei und offen, was du nicht willst lassen,doch wandle streng auf selbstbeschränkten Wegen –und lerne früh, nur deine Fehler hassen!Und ruhig geh den anderen entgegen;kannst du dein Ich nur fest zusammenfassen,wird deine Kraft die fremde Kraft erregen.
Es wandert eine schöne SageWie Veilchenduft auf Erden um,Wie sehnend eine LiebesklageGeht sie bei Tag und Nacht herum. Das ist das Lied vom VölkerfriedenUnd von der Menschheit letztem Glück,Von goldner Zeit, die einst hienieden,Der Traum als Wahrheit, kehrt zurück.Wo einig alle Völker betenZum Einen König, Gott und Hirt:Von jenem Tag, wo den ProphetenIhr leuchtend Recht gesprochen wird.Dann wird´s nur eine Schmach noch geben,Nur eine Sünde in der Welt:Des Eigen-Neides Widerstreben,Der es für Traum und Wahnsinn hält.Wer jene Hoffnung gab verlorenUnd böslich sie verloren gab,Der wäre besser ungeboren:Denn lebend wohnt er schon im Grab.
Willst du nicht dich schließen,Herz, du offnes Haus!Worin Freund´ und FeindeGehen ein und aus?Schau, wie sie verletzenDir das Hausrecht stets!Fühllos auf und nieder,Polternd, lärmend geht´s.Keiner putzt die Schuhe,Keiner sieht sich um,Staubig brechen alleDir ins Heiligtum;Trinken aus den goldnenKelchen des Altars,Schänden Müh´ und SegenDir des ganzen Jahrs:Werfen die PenatenWild vom Herde dir,Pflanzen drauf mit PrahlenIhr entfärbt Panier.Und wenn zu verwüstenNichts sie finden mehr,Lassen sie im ScheidenDich, mein Herz, so leer!Nein! und wenn nun allesStill und tot in dir,O, noch halt dich offen,Offen für und für!Laß die Sonne scheinenHeiß in dich hinein,Stürme dich durchfahrenUnd den Wetterschein!Wenn durch deine KammernSo die Windsbraut zieht,Laß dein Glöcklein stürmen, Schallen Lied um Lied!Denn noch kann´s geschehen,Daß auf irrer FluchtEine treue SeeleBei dir Obdach sucht!