Willst du, o Herz, ein gutes Ziel erreichen,mußt du in eigner Angel schwebend ruhn;ein Tor versucht zu gehn in fremden Schuhn,nur mit sich selbst kann sich der Mann vergleichen!Ein Tor, der aus des Nachbars Kinderstreichensich Trost nimmt für das eigne schwache Tun,der immer um sich späht und lauscht und nunsich einen Weg bestimmt nach falschen Zeichen!Tu frei und offen, was du nicht willst lassen,doch wandle streng auf selbstbeschränkten Wegen –und lerne früh, nur deine Fehler hassen!Und ruhig geh den anderen entgegen;kannst du dein Ich nur fest zusammenfassen,wird deine Kraft die fremde Kraft erregen.
Schöne Brücke, hast mich oft getragen,Wenn mein Herz erwartungsvoll geschlagenUnd mit dir den Strom ich überschritt.Und mich dünkte, deine stolzen BogenSind in kühnerm Schwunge mitgezogen,Und sie fühlten meine Freude mit.Weh der Täuschung, da ich jetzo sehe,Wenn ich schweren Leids hinübergehe,Daß der Last kein Joch sich fühlend biegt;Soll ich einsam in die Berge gehenUnd nach einem schwachen Stege spähen,Der sich meinem Kummer zitternd fügt?Aber SIE, mit anderm Weh und LeidenUnd im Herzen andre Seligkeiten:Trage leicht die blühende Gestalt!Schöne Brücke, magst du ewig stehen,Ewig aber wird es nie geschehen,Daß ein beßres Weib hinüber wallt!
Die Schenke dröhnt, und an dem langen TischRagt Kopf an Kopf verkommener Gesellen;Man pfeift, man lacht; Geschrei, Fluch und GezischErtönte an des Trankes trüben Wellen. In dieser Wüste glänzt´ ein weißes Brot,Sah man es an, so ward dem Herzen besser;Sie drehten eifrig draus ein schwarzes SchrotUnd wischten dran die blinden Schenkemesser.Doch Einem, der da mit den andern schrie,Fiel untern Tisch des Brots ein kleiner Bissen;Schnell fuhr er nieder, wo sich Knie an KnieGebogen drängte in den Finsternissen.Dort sucht´ er selbstvergessen nach dem Brot,Doch da begann´s rings um ihn zu rumoren,Sie brachten mit den Füßen ihn in NotUnd schrie´n erbost: Was, Kerl! hast du verloren?Errötend taucht´ er aus dem dunklen GrausUnd barg es in des Tuches grauen Falten.Er sann und sah sein ehrlich VaterhausUnd einer treuen Mutter häuslich Walten.Nach Jahren aber saß derselbe MannBei Herrn und Damen an der Tafelrunde,Wo Sonnenlicht das Silber überspannUnd in gewählten Reden floh die Stunde.Auch hier lag Brot, weiß wie der Wirtin Hand,Wohlschmeckend in dem Dufte guter Sitten;Er selber hielt´s nun fest und mit Verstand,Doch einem Fräulein war ein Stück entglitten.O lassen Sie es liegen! sagt sie schnell;Zu spät, schon ist er unter´n Tisch gefahrenUnd späht und sucht, der närrische Gesell,Wo kleine seid´ne Füßchen stehn zu Paaren.Die Herren lächeln und die Damen zieh´nDie Sessel scheu zurück vor dem Beginnen;Er taucht empor und legt das Brötchen hin,Errötend hin auf das damast´ne Linnen.Zu artig, Herr! dankt ihm das schöne Kind,Indem sie spöttisch lächelnd sich verneigte;Er aber sagte höflich und gelind,Indem er sich gar sittsam tief verbeugte:Wohl einer Frau galt meine Artigkeit,Doch Ihnen diesmal nicht, verehrte Dame!Es galt der Mutter, die vor langer ZeitEntschlafen ist in Leid und bitt´rem Grame.
Es ist auf Erden keine Nacht,Die nicht noch ihren Schimmer hätte,So groß ist keines Unglücks Macht,Ein Blümlein hängt an seiner Kette!Ist nur das Herz vom rechten Schlage,So baut es sich ein SternenhausUnd schafft die Nacht zum hellen Tage,Wo sonst nur Asche, Schutt und Graus.
O Erde, du gedrängtes Meer Unzähliger Gräberwogen, Wie viele Schifflein kummerschwer Hast du hinuntergezogen, Hinab in die wellige grünende Flut, Die reglos starrt und doch nie ruht! Ich sah einen Nachen von Tannenholz, Sechs Bretter von Blumen umwunden, Drin lag eine Schifferin bleich und stolz, Sie ist versunken, verschwunden! Die Leichte fuhr so tief hinein, Und oben blieb der schwere Stein! Ich wandle wie Christ auf den Wellen frei, Als die zagenden Jünger ihn riefen; Ich senke mein Herz wie des Lotsen Blei Hinab in die schweigenden Tiefen; Ein schmales Gitter von feinem Gebein, Das liegt dort unten und schließt es ein. Die Trauerweide umhüllt mich dicht, Rings fließt ihr Haar aufs Gelände, Verstrickt mir die Füße mit Kettengewicht Und bindet mir Arme und Hände: Das ist jene Weide von Eis und Glas, Hier steht sie und würgt mich im grünen Gras.
Es war ein heitres goldnes Jahr,Nun rauscht das Laub im Sande,Und als es noch in Knopsen war,Da ging sie noch im Lande.Besehen hat sie Berg und TalUnd unsrer Ströme Wallen;Es hat im jungen SonnenstrahlIhr alles wohlgefallen.Ich weiß in meinem VaterlandNoch manchen Berg, o Liebe,Noch manches Tal, das Hand in HandUns zu durchwandern bliebe.Noch manches schöne Tal kenn´ ichVoll dunkelgrüner Eichen; –O fernes Herz, besinne dichUnd gib ein leises Zeichen!Da eilte sie voll Freundlichkeit,Die Heimat zu erlangen –Doch irrend ist sie allzu weitUnd aus der Welt gegangen.
O wär mein Herz das tiefe MeerUnd meine Feinde die Schiffe:Wie schleudert´ es sie hin und herAn meines Hasses Riffe!Und endlich schläng es unter sie,Hinunter in die Tiefe,Daß drüber glänzend spät und frühDer Meeresfrieden schliefe!So aber ist´s ´ne Welle kaum,Von tausenden nur eine,Doch nagt und wäscht ihr leichter SchaumAm morschen Schiffsgebeine!Wir Wellen brausen treu vereint,Und eine folgt der andern!Wir haben all den gleichen Feind,Nach dem wir spähn und wandern.Das Unglück ist der Wirbelwind,Der peitscht uns, bis wir schäumenUnd bis wir wach geschlagen sindVon unsern Wasserträumen.Und endlich sinkt im Trümmerfall,Was wir so lang getragen –Heil uns, wenn wir mit sattem SchwallDann oben zusammenschlagen!
Wohin hat dich dein guter Stern gezogen,O Schulgenoß aus ersten Knabenjahren?Wie weit sind auseinander wir gefahrenIn unsern Schifflein auf des Lebens Wogen! Wenn wir die Untersten der Klasse waren,Wie haben wir treuherzig uns betrogen,Erfinderisch und schwärm´risch uns belogenVon Aventuren, Liebschaft und Gefahren! Da seh´ ich just, beim Schimmer der Laterne,Wie mir gebückt, zerlumpt ein VagabundMit einem Häscher scheu vorübergeht - ! So also wendeten sich unsre Sterne?Und so hat es gewuchert, unser Pfund?Du bist ein Schelm geworden - ich Poet!
Man merkte, daß der Wein geraten war:Der alte Bettler wankte aus dem Tor,Die Wangen glühend, wie ein Rosenflor,Mutwillig flatterte sein Silberhaar.Und vor und hinter ihm die KinderscharUmdrängt´ ihn, wie ein Klein-Bacchantenchor,D´raus ragte schwank der Selige empor,Sich spiegelnd in den hundert Äuglein klar.Am Morgen, als die Kinderlein noch schliefen,Von jungen Träumen drollig angelacht,Sah man den braunen Wald von Silber triefen.Es war ein Reif gefallen über Nacht;Der Alte lag erfroren in dem tiefenGebüsch, vom Rausch im Himmel aufgewacht.
Rinne sanft, du weiche Welle, Schöner Flachs, durch meine Hände, Daß ich dich mit stiller Schnelle Fein zum goldnen Faden wende! Du Begleiter meiner Tage Wirst nun bald zum Tuch erhoben, Dem ich alle Lust und Klage Singend, betend eingewoben. Wie so schwer bist du von Tränen, Schwer von Märchen und von Träumen, Wie so schwer vom schwülen Sehnen Nach des Lebens Myrtenbäumen! Ahnt wohl er, du traute Linne, Welch geheimnisvolle Dinge, Welchen Schatz der tiefsten Minne Ich mit dir ins Haus ihm bringe? Kühler Balsam seinen WundenSollst du werden, mein Gewebe – Wohl ihm, daß er mich gefunden Unter dieses Gartens Rebe! Wie durchdringt mich das Bewußtsein, Daß ich ganz sein Glück soll werden Und das Kleinod seiner Brust sein Und sein Himmel auf der Erden!