Auf den Wald und auf die Wiese, Mit dem ersten Morgengrau, Träuft ein Quell vom Paradiese, Leiser, frischer Maientau; Was den Mai zum Heiligtume Jeder süßen Wonne schafft, Schmelz der Blätter, Glanz der Blume, Würz und Duft, ist seine Kraft. Wenn den Tau die Muschel trinket, Wird in ihr ein Perlenstrauß; Wenn er in den Eichstamm sinket, Werden Honigbienen draus; Wenn der Vogel auf dem Reise Kaum damit den Schnabel netzt, Lernet er die helle Weise, Die den ernsten Wald ergetzt. Mit dem Tau der Maienglocken Wascht die Jungfrau ihr Gesicht, Badet sie die goldnen Locken, Und sie glänzt von Himmelslicht; Selbst ein Auge, rot geweinet, Labt sich mit den Tropfen gern,Bis ihm freundlich niederscheinet, Taugetränkt, der Morgenstern. Sink denn auch auf mich hernieder, Balsam du für jeden Schmerz! Netz auch mir die Augenlider! Tränke mir mein dürstend Herz! Gib mir Jugend, Sangeswonne, Himmlischer Gebilde Schau, Stärke mir den Blick zur Sonne, Leiser, frischer Maientau!
Das ist der Tag des Herrn!Ich bin allein auf weiter Flur;Noch eine Morgenglocke nur!Nun Stille nah und fern!Anbetend knie ich hier!O süßes Grau´n, geheimes Weh´n!Als knieten viele ungeseh´nUnd beteten mit mir!Der Himmel nah und fern,Er ist so klar, so feierlich,So ganz als wollt´ er öffnen sich!Das ist der Tag des Herrn!
Wenn du auf diesem LeichensteineVerschlungen siehest Hand in Hand,Das zeugt von irdischem Vereine,Der innig, aber kurz, bestand,Es zeugt von einer Abschiedstunde,Wo Hand aus Hand sich schmerzlich rang,Von einem heil´gen Seelenbunde,Von einem himmlischen Empfang.
Bei einem Wirte wundermildDa war ich jüngst zu Gaste.Ein goldner Apfel war sein SchildAn einem langen Aste.Es war der gute ApfelbaumBei dem ich eingekehretMit süßer Kost und frischem SchaumHat er mich wohl genähret.Es kamen in sein grünes HausViel leichtbeschwingte GästeSie sprangen frei und hielten SchmausUnd sangen auf das Beste.Ich fand ein Bett in süßer RuhAuf weichen, grünen MattenDer Wirt er deckte selbst mich zuMit seinem kühlen Schatten.Nun fragt ich nach der Schuldigkeit.Da schüttelt er den WipfelGesegnet sei er allezeitvon der Wurzel bis zum Gipfel.
An jedem Abend geh´ ich ausHinauf den Wiesensteg.Sie schaut aus ihrem Gartenhaus,Es stehet hart am Weg.Wir haben uns noch nie bestellt,Es ist nur so der Lauf der Welt.Ich weiß nicht, wie es so geschah,Seit lange küß´ ich sie,Ich bitte nicht, sie sagt nicht: ja!Doch sagt sie: nein! auch nie.Wenn Lippe gern auf Lippe ruht,Wir hindern´s nicht, uns dünkt es gut.Das Lüftchen mit der Rose spielt,Es fragt nicht: hast mich lieb?Das Röschen sich am Taue kühlt,Es sagt nicht lange: gib!Ich liebe sie, sie liebet mich,Doch keines sagt: ich liebe dich!
Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,Weit glänzt´ es über die Lande bis an das blaue Meer,Und rings von duft´gen Gärten ein blütenreicher Kranz,Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz. Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,Der ein´ in goldnen Locken, der andre grau von Haar;Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton!Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz."Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;Der König furchtbar prächtig, wie blut´ger Nordlichtschein,Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll,Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.Sie singen von Lenz und Liebe, von sel´ger goldner Zeit,Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit;Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,Des Königs trotz´ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust."Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?"Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib,Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,Er bind´t ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:"Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer KlangDurch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!Weh euch, ihr duft´gen Gärten im holden Maienlicht!Euch zeig ich dieses Toten entstelltes Angesicht,Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,Daß ihr in künft´gen Tagen versteint, verödet liegt.Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut´gen Ruhms!Dein Name sei vergessen, in ew´ge Nacht getaucht,Sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!"Der Alte hat´s gerufen, der Himmel hat´s gehört.Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.Und rings statt duft´ger Gärten ein ödes Heideland,Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;Versunken und vergessen! Das ist des Sängers Fluch.
O legt mich nicht ins dunkle Grab,Nicht unter die grüne Erd hinab!Soll ich begraben sein,Lieg ich ins tiefe Gras hinein. In Gras und Blumen lieg ich gern,Wenn eine Flöte tönt von fernUnd wenn hoch obenhinDie hellen Frühlingswolken ziehn.
Frühling ists, ich laß es gelten,Und mich freuts, ich muß gestehen,Daß man kann spazieren gehen,Ohne just sich zu erkälten.Störche kommen an und Schwalben,Nicht zu frühe! nicht zu frühe!Blühe nur, mein Bäumchen, blühe!Meinethalben, meinethalben!Ja! ich fühl ein wenig Wonne,Denn die Lerche singt erträglich,Philomele nicht alltäglich,Nicht so übel scheint die Sonne.Daß es keinen überrasche,Mich im grünen Feld zu sehen!Nicht verschmäh ichs auszugehen,Kleistens ›Frühling‹ in der Tasche!
Wohl geht der Jugend SehnenNach manchem schönen Traum;Mit Ungestüm und TränenStürmt sie den Sternenraum.Der Himmel hört ihr FlehenUnd lächelt gnädig: Nein!Und läßt vorübergehenDen Wunsch mitsamt der Pein.Wenn aber nun vom ScheineDas Herz sich abgekehrt,Und nur das Ächte, Reine,Das Menschliche begehrt.Und doch mit allem StrebenKein Ziel erreichen kann;Da muß man wohl vergebenDie Trauer auch dem Mann.
Gestorben war ich Vor Liebeswonne;Begraben lag ichIn ihren Armen;Erwecket ward ichVon ihren Küssen;Den Himmel sah ichIn ihren Augen.