Wenn Frau´n was kaufen, das geht flink.
Ich weiß, wie´s meinem Freund erging.
Der, jungvermählt, wollt´ in der Früh mal ins Büro, das sagte sie:
"Laß mich ein Stückchen mit dir gehn."
Dann blieb sie vor ´nem Laden stehn.
"Dein Port´monnaie! Bin gleich zurück,
es dauert nur ´nen Augenblick.
Bleib draußen", sprach Frau Suse,
"ich kauf mir bloß ´ne Bluse."

Nun geht sie rein, "nen Augenblick."
Ihr Mann, sehr heiter, bleibt zurück.
Er freut sich, ´s Wetter ist sehr schön,
sieht Kinder, die zur Schule gehn,
und sie sagt drinnen zur Mamsell:
" ´ne blaue Bluse, aber schnell!"
Nun schleppt man alle blauen rein,
und nach ´ner Stunde sagt sie: "Nein,
ich finde keine nette,
ich möcht´ ´ne violette."

Nun packt man violette aus.
Ihr Mann, geduldig, steht vorm Haus,
denkt: "Ziemlich lange währt so´n Kauf",
geht auf und ab und ab und auf,
und sie sagt drinnen: "Das ist nett!
Wie kam ich nur auf violett?
Da fällt mir ein, Frau Doktor Schmidt
geht immer mit der Mode mit,
und sie trägt jetzt ´ne gelbe.
Ach, geb´n Sie mir dieselbe.

Nun packt man alle gelben aus.
Ihr Mann wird hungrig vor dem Haus.
Der Mittag naht, die Sonne sticht,
die Kinder komm´n vom Unterricht.
Und sie sucht drin und sagt alsdann:
"Was geht Frau Doktor Schmidt mich an?
Wie kam ich auf ´ne gelbe nur?
Es wird ja Frühling, die Natur
zeigt frohe Hoffnungsmiene,
ach, geb´n Sie mir ´ne grüne."

Nun packt man alle grünen aus.
Ihr Mann ist matt und seufzt vorm Haus:
"Gern kauf´t ich ´ne Zigarre mir,
doch´s Port´monnaie, das ist bei ihr."
Und sie sagt drin: "Beim Sonnenschein,
da wird das Grün zu dunkel sein."
Da schaut er rein. Mein Port´monnaie",
sie sagt: " ´nen Augenblick noch. Geh!
Ich bin ja gleich zur Stelle.
Ach, geb´n Sie mir ´ne helle."

Nun packt man alle hellen aus.
Da gibt´s ein Ungewitter drauß´.
Es regnet bis zum Abendrot.
Ihm fehlt ein Schirm und´s Abendbrot.
Und sie sagt drinnen zur Mamsell:
"So´n Wetter heut, und dazu hell?
Und überhaupt, wir haben bald
April, da wird´s oft naß und kalt,
dann bin ich die Blamierte.
Ach, geb´n Sie ´ne karierte."

Nun packt man die karierten aus,
und er stöhnt, frei nach Goethe, drauß´:
"Was ewig weiblich, zieht uns an.
Das Weib, das zieht sich ewig an."
Und sie probt drin und sagt entsetzt:
"Was, Nummer vierundvierzig jetzt?
Nicht zweiundvierzig, schlank und schick?
Dann nichts Kariertes, das macht dick."
Ihr Blick zur Taille schweifte.
"Dann geb´n Sie ´ne gestreifte."

Nun packt man die gestreiften aus.
Ihr Mann, der wankt und röchelt drauß´:
"Ein´n Augenblick!" Das war ihr Wort!
Dann fällt er um, man trägt ihn fort.
Dann kommt sie mit ner roten raus.
"Hier bin ich schon!" ruft sie froh aus
und schreit: "Mein Mann! Mein Glück!
Gott, ist er tot? Ein´n Augenblick!"
Und in den Laden starrt se:
"Dann geb´n Sie mir ´ne schwarze."

Otto Reutter

Additional Information

»Die Unsterblichen Reutter-Vorträge«
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