Gedichte von Rudolf Presber

Rudolf Presber

Rudolf Presber

deutscher Journalist und Dichter, Dramatiker, Romancier, Erzähler
* 4.7. 1868 - Frankfurt/Main
1.10. 1935 - Potsdam

Hast du noch die alten Briefe,
Die ich dir heimlich zugesteckt;
Liest du manchmal drin, wenn tiefe
Nacht dich mit Gespenstern schreckt:

– Schreib geschwind: das Herzensflämmchen
Brennt´s für mich noch lichterloh?
Maus, dein gelbes Schildpattkämmchen
Fand sich unterm Vertikow.

Fand sich auch das Silberbörtchen,
Abgerissen in der Hast,
Und – wie schad´ – ein Mandeltörtchen,
Das du nicht gegessen hast.

Tief im Schleier Stirn und Näschen,
Keiner kennt dich – sei doch dreist,
Komm, mein Herzchen, komm, mein Häschen,
Dreimal klopfen – na, du weißt… –

Ach, daß heut ich, blondes Liesel,
Keine Antwort lesen darf,
Weil ich blöder Bildungsstiesel
Damals sie ins Feuer warf.

Denn – so kernecht auch dein Lieben –
Raubte mir´s die Seelenruh´,
Daß du Herz hast klein geschrieben
Und mit tz auch noch dazu.

Als du wieder, blondes Liesel,
Schlüpftest in mein Gartenhaus,
Flink und munter wie ein Wiesel,
Blieb ich kühl – und es war aus.

Heut? – na ja, ich kann nicht klagen,
Und ein Spaß ist auch dabei.
Viele reife Damen sagen,
Daß ich sehr poetisch sei.

Und sie lieben mich seraphisch,
– Seelenfreundschaft – oder so –
Und sie schreiben orthographisch
Und zitieren Rochefoucauld.

Und für ewig unvergessen
Sei mein Liedchen, sagen sie;
Und sie laden mich zum Essen
Und zu etwas Pomery.

Und mit nützlichen Geschenken
Machen sie sich wert und lieb.
Ich – ich muß der Kleinen denken,
Die ihr Herz mit tz schrieb.

All die Flammen, all die Flämmchen
Gäb´ ich heute seelenfroh.
Läg´ ein blondes Schildpattkämmchen
Wieder unterm Verikow.

Ich saß in des Boudoirs Heiligtum
Im Kreis von jungen Müttern
Und ließ mit ihrer Kinder Ruhm
In höflicher Neugier mich füttern.

"Ich hab´ einen Jungen, zwar rot von Haar",
Sprach ernsthaft Frau Adele,
"Probleme wälzt schon, ganz wunderbar,
Das Kind in junger Seele.

Es ist, als könnte der kleine Wicht
Uns tief in die Herzen gucken.
Wie schade, das blasse Kindergesicht
Leidet am Nervenzucken."

"Sechs Jahre ist unsere Kleine alt,"
So rühmte die blonde Mathilde,
"Die Händchen sind ihr immer kalt,
Die Augen voll träumender Milde.

Sie sitzt so still oft, daß mir´s graust,
Lesend bei mir in der Wohnung,
Die beiden Monologe des Faust
Rezitiert sie mit guter Betonung."

"Mein Hugo ist in den Gliedern nicht stark,"
Seufzt Klara, "das gibt sich am Ende,
Ich war mit ihm in Dänemark,
Und entdeckte dort seine Talente.

Er lernte Dänisch von Kellner und Magd,
Das ist doch gewiß höchst erfreulich,
Und hat mir im Urtext aufgesagt
Gedichte von Ibsen neulich."

"Und meine Ida, die kleine Maus,"
Frau Hilde rühmt es mit Rührung,
"Spielt Symphonien von Richard Strauss
Mit richtiger Fingerführung.

Nur körperlich ist sie nicht recht gediehn,
Das Wachstum will nicht glücken,
Trotz Lebertran, Tropon und Pepsin;
Und hat einen hohen Rücken."

Frau Eva saß eine Weile still –
Ich sah die Zweifel sie quälen.
"Sie müssen nicht denken, Herr Doktor, ich will
Nicht von meinen Jungen erzählen.

Was aber könnt´ ich Euch anvertraun?
Sie haben rotglühende Wangen,
Zerrißne Hosen von Hecken und Zaun
Und sind ein paar wilde Rangen.

Ihre Muskeln sind gut, und ihr Herz ist nicht bös,
Doch lesen sie Ibsen nicht dänisch;
Sie spielen Klavier nicht und sind nicht nervös
Und gar nicht neurasthenisch.

Sie wählen zum Lesen nicht Goethe aus;
Grimms Märchen – hei, wie sie drauf brennen!
Und werden – ich schäm´ mich´s zu sagen – den Strauß
Nur vom Zoologischen kennen.

Sie schwimmen wie Fische und klettern flott
Und schenken mit kindlicher Güte
Und beten des Abends zum lieben Gott,
Dass er ihre Mutter behüte."

Ich sah ihr in das erglühte Gesicht –
Durchs Herz klangen alte Weisen –
Und hieß sie bis heute ›Frau Eva‹ nicht,
Sie müßte Frau Eva heißen!

Auf ihre Hände, kußbereit,
Beugt tief sich der alte Sünder:
"Sie haben in wunderreicher Zeit
Die wahren Wunderkinder!"

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