Das ist eine traurige ChoseWozu ist einer Prophet?Nun sehn Sie bloß, wies MoseNach tausend Jahren geht!Der Glaube ist geschwunden,Daß ihn in Schilf und MoosAm heiligen Nil gefundenDie Tochter des Pharaos.In neuer Forschung ScheineDer Zweifel war entfacht:Ob er die heiligen SteineVom Sinai gebracht.Und kritische Virtuosen,Die haben bald negiert:Daß aus dem Lande GosenDie Juden habe er geführt.Und jetzt ist gar zu lesen:Daß hier ein Trug gewebt,Und nie ein Mann gewesen,Der seine Tat gelebt…Wenn also, sollt ich meinen,Die Größe schrumpft zusamm,Wie gehts dann erst den Kleinen,Die nicht aus Levis Stamm?Die keines Himmels GnadeIm Feuerbusch gespürt,Die keine BundesladeIns Jordantal geführt?Die Wunder nie zur LehreDes Pharao getan,Die nie im Roten MeereDen Feind versinken sahn…?Mein Gott, wer wird in Not sein,Weil ihn die Welt vergißt.Wir werden eben tot sein,So tot wie Moses ist.Und keiner wird mehr fragen,Wenn ihm das Bett bestellt,Ob seinen Namen tragenEin Hauch wird durch die Welt.
Es waren drei junge LeuteDie liebten ein Mädchen so sehr.Der eine war der Gescheute,Floh zeitig über das Meer.Er fand eine gute StelleUnd ward seiner Jugend froh,Und lebt als JunggeselleNoch heute auf Borneo.Der Zweite schied mit Weinen.Er sang seiner Liebe LeidUnd ließ es gebunden erscheinenJust um die Weihnachtszeit.Das kalte Herz der Dame,Die Quelle all seines Wehs,Macht ihm die schönste ReklameAuf allen ästhetischen Tees.Der Dritte nur war dämlich,Wie sich die Welt erzählt.Er liebte die Holde nämlichUnd sich mit ihr vermählt;Und sitzt jetzt ganz bescheidenDabei mit dummem Gesicht,Wenn sie von den anderen beidenMit Tränen im Auge spricht ....
Hast du noch die alten Briefe,Die ich dir heimlich zugesteckt;Liest du manchmal drin, wenn tiefeNacht dich mit Gespenstern schreckt:– Schreib geschwind: das HerzensflämmchenBrennt´s für mich noch lichterloh?Maus, dein gelbes SchildpattkämmchenFand sich unterm Vertikow.Fand sich auch das Silberbörtchen,Abgerissen in der Hast,Und – wie schad´ – ein Mandeltörtchen,Das du nicht gegessen hast.Tief im Schleier Stirn und Näschen,Keiner kennt dich – sei doch dreist,Komm, mein Herzchen, komm, mein Häschen,Dreimal klopfen – na, du weißt… –Ach, daß heut ich, blondes Liesel,Keine Antwort lesen darf,Weil ich blöder BildungsstieselDamals sie ins Feuer warf.Denn – so kernecht auch dein Lieben –Raubte mir´s die Seelenruh´,Daß du Herz hast klein geschriebenUnd mit tz auch noch dazu.Als du wieder, blondes Liesel,Schlüpftest in mein Gartenhaus,Flink und munter wie ein Wiesel,Blieb ich kühl – und es war aus.Heut? – na ja, ich kann nicht klagen,Und ein Spaß ist auch dabei.Viele reife Damen sagen,Daß ich sehr poetisch sei.Und sie lieben mich seraphisch,– Seelenfreundschaft – oder so –Und sie schreiben orthographischUnd zitieren Rochefoucauld.Und für ewig unvergessenSei mein Liedchen, sagen sie;Und sie laden mich zum EssenUnd zu etwas Pomery.Und mit nützlichen GeschenkenMachen sie sich wert und lieb.Ich – ich muß der Kleinen denken,Die ihr Herz mit tz schrieb.All die Flammen, all die FlämmchenGäb´ ich heute seelenfroh.Läg´ ein blondes SchildpattkämmchenWieder unterm Verikow.
Wer nur um UnerläßlichesSich müht in Tagesfron,Dem fehlt ein UnvergeßlichesAls höchster Lebenslohn.Wie zahlreich auch die Jährchen sind,Gehäuft zu Leid und Lust,Was Blüten, Träume, Märchen sind,Das hat er nie gewußt!
Säng´ ich von Frauen was ich meine,Wie würd´ mein Lied noch neu und reich?Vergriffen sind die EdelsteineSamt allen Blumen zum Vergleich.Kein heller Stern mehr will mir taugenAm Frühlingshimmel, silberklar,Der nicht mit eines Mädchens AugenSchon tausendmal verglichen war.Auf Blume, Stern und Stein und PerleLeist´ ich mit heil´gem Schwur Verzicht.Verliebte sind halt gute Kerle,Originell – das sind sie nicht.Doch tröstet eins: Wenn sich im SchwörenIhr Hirn um neue Wendung plagt,Die eine wird stets gerne hören,Was andern tausendmal gesagt.So will ich nach der einen spähen,Die nichts bis heut von mir gewußt,Und meine schönsten Lieder säenIns junge Erdreich ihrer Brust.Und blüht es heiß auf ihren Wangen,Wie roter Blumen Widerschein:Dann ist die Liebe aufgegangen – Und ich, ich will ihr Schnitter sein!Und was das frohe Herz getragen,Wenn es der Lenz mit Blüten neckt,Will ich der Einz´gen flüstern sagen,Weil mich die Menge leicht erschreckt:"Ich liebe dich und will dir treu sein,Solang´ die Rose blüht am Strauch…"Und dieses Letzte wird ihr neu sein,Und, wenn ich ehrlich bin – mir auch.
Und wenn du groß bist – nein, du wirst´s nicht wissen,Wie ich´s so gut, so gut mit dir gemeint,Wie dieses stolze Aug´ in heiße KissenSo oft in Sehnsucht hat um dich geweint.Ich möcht´ die Ruh´ nicht deines Herzens stören –Ich bin ja tot … verreist … ich weiß es nicht!Könnt´ ich nur einmal noch dein Stimmchen hören:"Papa, Papa!" … O Gott, ein andrer flichtDir nun den Frühlingskranz von Anemonen,Erzählt dir Märchen vom kristallnen Berg,Vom groben Riesen und vom schlauen ZwergUnd von dem Schloß, darin die Elfen wohnen …Ach, könnt´ ich dann nur still durchs Zimmer gehn,Den Märchenglanz in deinen Kinderblicken,Die heißerglühten Bäckchen nur zu sehn,Und leis den Mund auf deinen Scheitel drücken …Ich schlich´ mich heimlich, wie ein böser Dieb,An dir vorbei, dir keinen Traum zu trüben –Weißt du´s denn noch, ich hatt´ dich einst so lieb …Fühlst du´s denn nicht: ich werd´ dich immer lieben!
Ich traf ihn im ›Roten Schweinskopf‹ beim Bier,Dort sprach er mit Unverblümtheit.Nur leider – betrunken schien er mirVon Alkohol und Berühmtheit.Flaumbärtige Bursche hockten dabeiMit blaugetrunkenen SchmissenUnd gröhlten bei jeder Wutzerei,Wie von der Kuh gebissen.Dann lauschten sie wieder mit blödem GesichtDem grimmigen RenommierenUnd rauchten Zigarren noch lange nichtSo schlecht wie ihre Manieren.Er aber schaut stolz in dem Kreis sich umUnd richtet – ob je ichs vergesse! –Ein grausames PrivatissimumGratis an meine Adresse:"Der Mensch soll brav als gesteigertes ViehIm Buch der Historie lesen:Es gab auf Erden kein mächtig Genie,Das nicht auch ein Flegel gewesen.Drum ist meine Muse kein zimperlich Weib,Wie auf alten griechischen Vasen;Sie hat die robustesten Knochen im LeibUnd putzt sich am Ärmel die Nasen.Sie ist die frechste Dirne der Stadt;Doch mich kanns nur erheitern,Wenn sie struppiges Haar auf dem Kopfe hatUnd Wanzen in ihren Kleidern.Schmachtlappen und Zierbengeln bin ich fatalDen Seufzgergigerln ein Grausen;Ich rekle als einziges OriginalMich unter geölten Banausen.Ich spuck auf die Liebe, ich schimpf auf den Mai,Berühmt als Rauhbein und Knote.Und dieses" – er rülpste – "ich bin so frei,Ist meine persönliche Note."
Sitte ward´s, berühmter MännerEdle Locken sich zu sammeln,Und ich höre schon die KennerUngeheure Zahlen stammeln.Bleibt der Handel schlicht und ehrlich,Werden wild die Preise steigen,Weil auf großen Häuptern spärlichOft sich nur die Haare zeigen.An des Krieges RuhmestempelSind die Locken ziemlich selten.Caesar, Moltke zum ExempelWaren recht bewährte Helden;Doch die Krieger, stolz und edel,Deren jeder ein Genie war,Wußten´s leider, daß ihr SchädelKahl und haarlos, wie ein Knie, war.Andre nach der Mode Faxen,Die verschwendet bald, bald knickert,Ließen lang die Haare wachsen,Wie Chamisso oder Rückert.Und im Handel wenig hörenWird man ihren stolzen Namen,Weil die Scheren von FriseurenWenig mit zu tun bekamen.Anderwärts ist wohl zu holenLeidlich gute Ruhmesware.Jede Gräfin, so aus Polen,Hat von Chopin ein paar Haare;Von George Sand noch eine TräneKann der Käufer miterwerbenUnd von Rubinstein die MähneGing, ich weiß, an viele Erben....Meine Sammlung ist bescheiden:Ein paar Löckchen, braun und golden,Die mir Namen großer ZeitenNimmer protzend melden wollten;Die noch niemals angezogenKäufer, die um Proben flehen,Und in keinen KatalogenHeut mit hohen Preisen stehen.
Ich saß in des Boudoirs HeiligtumIm Kreis von jungen MütternUnd ließ mit ihrer Kinder RuhmIn höflicher Neugier mich füttern."Ich hab´ einen Jungen, zwar rot von Haar",Sprach ernsthaft Frau Adele,"Probleme wälzt schon, ganz wunderbar,Das Kind in junger Seele.Es ist, als könnte der kleine WichtUns tief in die Herzen gucken.Wie schade, das blasse KindergesichtLeidet am Nervenzucken.""Sechs Jahre ist unsere Kleine alt,"So rühmte die blonde Mathilde,"Die Händchen sind ihr immer kalt,Die Augen voll träumender Milde.Sie sitzt so still oft, daß mir´s graust,Lesend bei mir in der Wohnung,Die beiden Monologe des FaustRezitiert sie mit guter Betonung.""Mein Hugo ist in den Gliedern nicht stark,"Seufzt Klara, "das gibt sich am Ende,Ich war mit ihm in Dänemark,Und entdeckte dort seine Talente.Er lernte Dänisch von Kellner und Magd,Das ist doch gewiß höchst erfreulich,Und hat mir im Urtext aufgesagtGedichte von Ibsen neulich.""Und meine Ida, die kleine Maus,"Frau Hilde rühmt es mit Rührung,"Spielt Symphonien von Richard StraussMit richtiger Fingerführung.Nur körperlich ist sie nicht recht gediehn,Das Wachstum will nicht glücken,Trotz Lebertran, Tropon und Pepsin;Und hat einen hohen Rücken."Frau Eva saß eine Weile still –Ich sah die Zweifel sie quälen."Sie müssen nicht denken, Herr Doktor, ich willNicht von meinen Jungen erzählen.Was aber könnt´ ich Euch anvertraun?Sie haben rotglühende Wangen,Zerrißne Hosen von Hecken und ZaunUnd sind ein paar wilde Rangen.Ihre Muskeln sind gut, und ihr Herz ist nicht bös,Doch lesen sie Ibsen nicht dänisch;Sie spielen Klavier nicht und sind nicht nervösUnd gar nicht neurasthenisch.Sie wählen zum Lesen nicht Goethe aus;Grimms Märchen – hei, wie sie drauf brennen!Und werden – ich schäm´ mich´s zu sagen – den StraußNur vom Zoologischen kennen.Sie schwimmen wie Fische und klettern flottUnd schenken mit kindlicher GüteUnd beten des Abends zum lieben Gott,Dass er ihre Mutter behüte."Ich sah ihr in das erglühte Gesicht –Durchs Herz klangen alte Weisen –Und hieß sie bis heute ›Frau Eva‹ nicht,Sie müßte Frau Eva heißen!Auf ihre Hände, kußbereit,Beugt tief sich der alte Sünder:"Sie haben in wunderreicher ZeitDie wahren Wunderkinder!"
Durch das Dunkel meiner NächteLockt ein leiser Geigenton –Jubel zittert drin, als brächteEr den frohen Frühling schon.Wie von blühenden SyringenWeht´s von neu begrüntem Hag,Und ein selig süßes Singen Kündet einen neuen Tag.Aus dem Meer in heil´ger FrüheHebt die Sonne ihr Gesicht,Daß sie weckend übersprüheRings die Welt mit goldnem Licht.Alle Schleier sind genommenVon den Höhen fern und nah –Und nun weiß ich´s Du wirst kommen,Wie ich dich im Traume sah.Licht, im flatternden Gewande,Mit dem Schwebeschritt der Feen,Wirst du durch der jungen LandeBlau erblühte Veilchen gehn.Was an trägen Träumen hausteIn der Brust mir, machst du frei.Daß dein Auge mir die blausteBlume meines Frühlings sei.Schmerzlos schließt sich alte Wunde,Und zum Lächeln wird der Harm.Ach, und eine sel´ge StundeHalt´ ich, Liebste, dich im Arm.Hinter fest verschlossnen TürenLieg´ ich stumm und liebesmatt,Und an heiß gehauchten SchwürenTrinkt sich meine Seele satt…Lautlos und auf zagen Zehen,Wie ein schüchtern Mädchen schier,Wie du kamst, so wirst du gehenSo aus Traum und Leben mir,Und des Sommerüberflusses Wohltat wird mir nie gedeihn –Ein Erinnern deines KussesSchläft auf meinen Lippen ein.Nur in meiner Sehnsucht SängenZwing´ und faß´ und fühl ich dich - Und des Abschieds Tränen hängenSchwer an meine Lieder sich.Wink der dunklen SchicksalsmächteStieß ein junges Glück vom Thron – Durch das Dunkel meiner NächteKlagt ein leiser Geigenton…