Auf steigt der Strahl und fallend gießtEr voll der Marmorschale Rund,Die, sich verschleiernd, überfließtIn einer zweiten Schale Grund;Die zweite gibt, sie wird zu reich,Der dritten wallend ihre Flut,Und jede nimmt und gibt zugleichUnd strömt und ruht.
Am Himmel wächst der Sonne Glut,Aufquillt der See, das Eis zersprang,Das erste Segel teilt die Flut,Mir schwillt das Herz wie Segeldrang.Zu wandern ist das Herz verdammt,Das seinen Jugendtag versäumt,Sobald die Lenzessonne flammt,Sobald die Welle wieder schäumt.Verscherzte Jugend ist ein SchmerzUnd einer ew´gen Sehnsucht Hort,Nach seinem Lenze sucht das HerzIn einem fort, in einem fort!Und ob die Locke dir ergrautUnd bald das Herz wird stille stehn,Noch muß es, wenn die Welle blaut,Nach seinem Lenze wandern gehn.
Es fährt der Wind gewaltig durch die Nacht, In seine gellen Pfeifen bläst der Föhn. Prophetisch kämpft am Himmel eine Schlacht Und überschreit ein wimmernd Sterbgestöhn. Was jetzt dämonenhaft in Lüften zieht, Eh´ das Jahrhundert schießt, erfüllt´s die Zeit – In Sturmesbrausen klingt das Friedelied Aus einer fernen, fernen Seligkeit. Die Ampel, die in leichten Ketten hangt, Hellt meiner Kammer weite Dämmerung. Und wann die Decke bebt, die Diele bangt, Bewegt sie leise sich in sachtem Schwung. Mir redet diese Flamme wunderbar Von einer windbewegten Ampel Licht, Die einst geglommen für ein nächtlich Paar, Ein greises und ein göttlich Angesicht. Es sprach der Friedestifter, den du weißt, In einer solchen wilden Nacht wie heut: "Hörst, Nikodeme, du den Schöpfer Geist, Der mächtig weht und seine Welt erneut?"
Am Gestade Palästinas, auf und nieder, Tag um Tag,"London?" frug die Sarazenin, wo ein Schiff vor Anker lag."London!" bat sie lang vergebens, nimmer müde, nimmer zag,Bis zuletzt an Bord sie brachte eines Bootes Ruderschlag.Sie betrat das Deck des Seglers und ihr wurde nicht gewehrt.Meer und Himmel. "London?" frug sie, von der Heimat abgekehrt,Suchte, blickte, durch des Schiffers ausgestreckte Hand belehrt,Nach den Küsten, wo die Sonne sich in Abendglut verzehrt ..."Gilbert?" fragt die Sarazenin im Gedräng´ der großen Stadt,Und die Menge lacht und spottet, bis sie dann Erbarmen hat."Tausend Gilbert gibts in London!" Doch sie sucht und wird nicht matt."Labe dich mit Trank und Speise!" Doch sie wird von Tränen satt."Gilbert!" "Nichts als Gilbert? Weißt du keine andern Worte? Nein?""Gilbert!" ... "Hört, das wird der weiland Pilger Gilbert Beckett sein -Den gebräunt in Sklavenketten glüh´nder Wüste Sonnenschein,Dem die Bande löste heimlich eines Emirs Töchterlein -""Pilgrim Gilbert Becket!" dröhnt es, braust es längs der Themse Strand.Sieh, da kommt er ihr entgegen, von des Volkes Mund genannt,Über seine Schwelle führt er, die das Ziel der Reise fand.Liebe wandert mit zwei Worten gläubig über Meer und Land.
Doch es ist ein ew´ger Glaube,Daß der Schwache nicht zum RaubeJeder frechen MordgebärdeWerde fallen allezeit:Etwas wie GerechtigkeitWebt und wirkt in Mord und Grauen,Und ein Reich will sich erbauen,Das den Frieden sucht auf Erden.
In der Capuletti Vigna grabenGärtner, finden einen Marmorknaben,Meister Simon holen sie herbei,Der entscheide, welcher Gott es sei.Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte,Der die graue Wimper forschend neigte,Kniet´, ein Kind daneben: Julia,Die den Marmorknaben finden sah.»Welches ist dein süßer Name, Knabe?Steig ans Tageslicht aus deinem Grabe!Eine Fackel trägst du? Bist beschwingt?Amor bist du, der die Herzen zwingt?«Meister Simon, streng das Bild betrachtend,Eines Kindes Worte nicht beachtend,Spricht: »Er löscht die Fackel. Sie verloht.Dieser schöne Jüngling ist der Tod.«
Die gegeißelte Psyche Wo von alter Schönheit TrümmernMarmorhell die Säle schimmern,Windet blaß und lieblich einePsyche sich im Marmelsteine.Unsichtbarem GeißelhiebeBeugt sie sich in Qual und Liebe,Auf den zarten Knieen liegend,Enge sich zusammenschmiegend.Flehend halb, und halb geduldig,Trägt sie Schmach und weiß sich schuldigIhre Schmerzensblicke fragen:Liebst du mich? und kannst mich schlagen?Soll dich der Olymp begrüßen,Arme Psyche, mußt du büßen!Eros, der dich sucht und peinigt,Will dich selig und gereinigt.
Gestern fand ich, räumend eines langvergess´nen Schrankes Fächer,Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.Währenddes ich, leise singend, reinigt´ ihn vom Staub der Jahre,War´s, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare,War´s, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken,War´s, als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken.
Und manchmal wissen wir´s:´s klopft jemand an,Der Brüder einer, müder Wandersmann.Wir wissen, jemand steht in Nacht und Graus,Und seines Klopfens Hallen ist im Haus.Sein zagend Flehen dringt zu uns herein:Im Namen Gottes, Brüder laßt mich ein!Und hören stumm sein Klopfen, seine Bitte.Zu Tür und Riegel braucht´s nur dreier Schritte,Nur dreier Worte braucht´s: Komm Bruder, du!Sie bleiben ungesprochen und die Tür bleibt zu.Und jener Wandrer geht, wie er gekommen. –Dann horchen wir, dann ahnen wir beklommenUnd schauen plötzlich tief und wissen klar,Daß jener Pilgrim Gottes Bruder war.
Lange Jahre sah ich dichführen deinen Spaten,und ein jeder Schaufelstichist dir wohl geraten.Nie hat dir des Lebens Fluchtbang gemacht, ich glaube –sorgtest für die fremde Frucht,für die fremde Traube.Nie gelodert hat die Glutdir in eignem Herde,doch du fußtest fest und gutauf der Mutter Erde.Nun hast du das Land erreicht,das du fleißig grubest,laste dir die Scholle leicht,die du täglich hubest!