Gedichte von Khalil Gibran

Khalil Gibran

Khalil Gibran

amerikanisch-libanesischer Maler und Philosoph, Dichter
* 6.1. 1883 - DMG Ǧibrān Ḫalīl Ǧibrān in Bischarri, Libanon
10.4. 1931 - New York , USA

Und ein Kaufmann sagte: Sprich uns vom Kaufen und Verkaufen.
Und er antwortete und sagte: Die Erde gibt euch ihre Frucht, und es wird euch an nichts mangeln, wenn ihr nur wißt, wie ihr eure Hände füllt. Im Austausch der Gaben der Erde werdet ihr Fülle finden und gesättigt sein.

Doch wenn der Austausch nicht in Liebe und in freundlicher Gerechtigkeit stattfindet, wird er bloß einige zur Gier und andere zum Hunger führen.
Wenn ihr Arbeiter des Meeres, der Felder und der Weinberge auf dem Markt die Weber, Töpfer und Gewürzhändler trefft, dann beschwört den höchsten Geist der Erde, in eure Mitte zu kommen und die Waagen und die Rechnungen zu segnen, die Wert gegen Wert abwägen.
Und duldet bei euren Tauschgeschäften nicht die mit leeren Händen, die ihre Worte gegen eure Arbeit verkaufen möchten.
Solchen Männern solltet ihr sagen: »Kommt mit uns aufs Feld oder fahrt mit unseren Brüdern zur See und werft eure Netze aus; denn das Land und das Meer werden sich euch gegenüber genauso freigebig zeigen wie uns«.
Und wenn die Sänger und Tänzer und die Flötenspieler kommen, nehmt auch von ihren Gaben.

Denn auch sie sind Sammler von Früchten und Weihrauch, und was sie bringen, obwohl aus Träumen geschaffen, ist Kleidung und Nahrung für eure Seele.

Und bevor ihr den Marktplatz verlaßt, seht zu, daß niemand mit leeren Händen seines Weges gegangen ist. Denn der höchste Geist der Erde wird nicht friedlich auf dem Wind schlafen, bis die Bedürfnisse auch des Geringsten unter euch befriedigt sind.

Da sprach Almitra: „Rede uns von der Liebe.“
Und er erhob das Haupt und blickte auf die Menge.
Und es fiel ein Schweigen über sie. Und die große Stimme sprach also:
„Winkt dir die Liebe, so folge ihr,
sind auch ihre Wege hart und steil.
Und umfahn dich ihre Flügel, so ergib dich ihr,
mag auch das unterm Gefieder verborgne Schwert dich verwunden.
Und redet sie mit dir, so trau ihrem Wort,
mag auch ihre Stimme deine Träume erschüttern,
wie der Nordwind den Garten verwüstet.
Denn gleich wie die Liebe dich krönt, so wird sie dich kreuzigen,
wie sie deinen Lebensbaum entfaltet, so wird sie ihn beschneiden.
Wie sie emporsteigt zu deiner Höhe
und die zartesten Zweige liebkost, die in der Sonne erbeben,
ebenso wird sie hinabsteigen zu deinen Wurzeln
und sie aufrütteln in ihrem Festklammern am Erdboden.
Gleich Garben von Korn rafft sie dich an sich.
Sie drischt dich, um dich zu entblößen.
Sie siebt dich, um dich von Spreu zu befrein.
Sie zermalmt dich, bis du weiß wirst,
sie knetet dich, bis du geschmeidig bist.
Und dann beruft sie dich an ihr heil‘ges Feuer,
auf daß du heil´ges Brot werdest zu Gottes heil´gem Festmahl.
All dies soll die Liebe dir antun, auf daß du kennest das Geheime deines Herzens und in diesem Wissen ein Bruchteil werdest vom Herzen des Lebens.
Doch suchest du in deiner Angst nur der Liebe Ruh‘ und der Liebe Lust,
dann tätest du besser, deine Nacktheit zu verhüllen
und der Liebe Tenne zu entfliehn,
in die schale Welt, wo du wirst lachen,
doch nicht ein ganzes Leben, und weinen,
doch nicht all deine Tränen.
Liebe gibt nichts als sich selber und nimmt nichts aus sich selbst heraus.
Liebe besitzet nicht und läßt sich nicht besitzen;
denn Liebe genügt der Liebe.
Wenn du liebst, so sage nicht: „Gott in meinem Herzen“,
sag‘ lieber: „Ich bin in Gottes Herzen.“
Und denke nicht, du könntest der Liebe Lauf lenken;
denn Liebe, so sie dich würdig schätzt, lenkt deinen Lauf.
Liebe hat keinen anderen Wunsch, als sich zu erfüllen.
Doch so du liebst und noch Wünsche haben mußt,
so seien dies deine Wünsche:
Zu schmelzen und zu werden wie ein fließender Bach,
der sein Lied der Nacht singt.
Zu kennen die Pein allzu vieler Zärtlichkeit.
Wund zu sein von deinem eigenen Verstehen der Liebe;
und zu bluten, willig und freudigen Herzens.
Zu erwachen beim Morgenrot mit beschwingter Seele
und Dank zu bringen für einen neuen Tag der Liebe,
zu rasten um die Mittagsstund‘
und nachzusinnen über der Liebe Verzückung;
Heimzukehren in Dankbarkeit, wenn der Abend graut;
und dann einzuschlafen, mit einem Gebet für deine Liebe
im Herzen und einem Lobgesang auf deinen Lippen.

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