Ich hab´ einen schönen Traum geträumt
In einer langen Nacht;
Da warst du gut und freundlich mit mir,
Doch hat´s mich traurig gemacht.

Du hieltest mich an die Brust gedrückt,
Unser Athem hat sich vereint;
Ich habe dir die Hände geküßt
Und leise dabei geweint.

Du legtest die Hände mir auf´s Haupt
Und sahst mich forschend an;
Ich aber weinte immer fort,
Du hast mir Leides gethan.

»Und hab´ ich dir auch Leides gethan,
Vergiß es nur geschwind
Und weine nicht« – so sprachest du –
»Mein armes verlorenes Kind!

Du sollst nicht mehr verlassen sein,
Ich will dich hegen und pflegen,
Und weil du bald stirbst, so will ich
Dich selbst zur Ruhe legen.« –

Ich aber weinte immer fort
In der langen bangen Nacht –
Und bin im Arm eines Andern
Am Morgen aufgewacht.

Ada Christen

Mehr von

österreichische Dichterin und Bühnenschriftstellerin, Erzählerin
* 6.3. 1839 - Wien
19.5. 1901 - Inzersdorf
Bitte anmelden, um Kommentare zu sehen und zu posten

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.