Ich hab´ geruht an allen Quellen,
Ich fuhr dahin auf allen Wellen,
Und keine Straße ist, kein Pfad,
Den irrend nicht mein Fuß betrat.

Ich hab´ verjubelt manche Tage,
Und manche hin gebracht in Klage,
Bei Büchern manche lange Nacht,
Und andere beim Wein durchwacht.

Viel mißt´ ich, viel hab´ ich errungen,
Auch Lieder hab´ ich viel gesungen,
Und ausgeschöpft hat dieses Herz
Des Lebens Lust, des Lebens Schmerz.

Nun ist der Becher leer getrunken,
Das Haupt mir auf die Brust gesunken,
Nun legt´ ich gern mich hin und schlief´,
Unweckbar, traumlos, still und tief!

Mir ist, mir ist, als hört ich locken
Von fernher schon die Abendglocken,
Und süße, weiche Traurigkeit
Umweht mich: Komm, ´s ist Schlafenszeit.

Adalbert Stifter
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