O frage nicht, was mich so tief bewegt,Seh ich dein junges Blut so freudig wallen,Warum, an deine klare Stirn gelegt,Mir schwere Tropfen aus den Wimpern fallen.Mich träumte einst, ich sei ein albernes Kind,Sich emsig mühend an des Tisches Borden;Wie übermächtig die Vokabeln sind,Die wieder Hieroglyphen mir geworden!Und als ich dann erwacht, da weint ich heiß,Daß mir so klar und nüchtern jetzt zu Mute,Daß ich so schrankenlos und überweis´,So ohne Furcht vor Schelten und vor Rute.So, wenn ich schaue in dein Antlitz mild,Wo tausend frische Lebenskeime walten,Da ist es mir, als ob Natur mein BildMir aus dem Zauberspiegel vorgehalten;Und all mein Hoffen, meiner Seele BrandUnd meiner Liebessonne dämmernd Scheinen,Was noch entschwinden wird und was entschwand,Das muß ich alles dann in dir beweinen.
Lebt wohl Lebt wohl, es kann nicht anders sein!Spannt flatternd eure Segel aus,Laßt mich in meinem Schloß allein,Im öden geisterhaften Haus. Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euchUnd meinen letzten Sonnenstrahl;Er scheide, scheide nur sogleich,Denn scheiden muß er doch einmal. Laßt mich an meines Sees Bord,Mich schaukelnd mit der Wellen Strich,Allein mit meinem Zauberwort,Dem Alpengeist und meinem Ich. Verlassen, aber einsam nicht,Erschüttert, aber nicht zerdrückt,Solange noch das heil´ge LichtAuf mich mit Liebesaugen blickt. Solange mir der frische WaldAus jedem Blatt Gesänge rauscht,Aus jeder Klippe, jedem SpaltBefreundet mir der Elfe lauscht. Solange noch der Arm sich freiUnd waltend mir zum Äther strecktUnd jedes wilden Geiers SchreiIn mir die wilde Muse weckt.
Oh schaurig ist´s übers Moor zu gehn,Wenn es wimmelt vom Heiderauche,Sich wie Phantome die Dünste drehnUnd die Ranke häkelt am Strauche,Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,Wenn aus der Spalte es zischt und singt,O schaurig ist´s übers Moor zu gehn,Wenn das Röhricht knistert im Hauche!Fest hält die Fibel das zitternde KindUnd rennt, als ob mann es jage;Hohl über die Fläche sauset der Wind -Was raschelt drüben am Hage?Das ist der gespenstische Gräberknecht,Der dem Meister die besten Torfe verzecht;Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!Hinducket das Knäblein zage.Vom Ufer starret Gestumpf hervor,Unheimlich nicket die Föhre,Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,Durch Riesenhalme wie Speere;Und wie es rieselt und knittert darin!Das ist die unselige Spinnerin,Das ist die gebannte Spinnlenor´,Die den Haspel dreht im Geröhre!Voran, voran! nur immer im Lauf,Voran, als woll es ihn holen!Vor seinem Fuße brodelt es auf,Es pfeift ihm unter den SohlenWie eine gespenstische Melodei;Das ist der Geigemann ungetreu,Das ist der diebische Fiedler Kanuf,Der den Hochzeitheller gestohlen!Da birst das Moor, ein Seufzer gehtHervor aus der klaffenden Höhle;Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:"Ho, ho, meine arme Seele!"Der Knabe springt wie ein wundes Reh;Wär´ nicht Schutzengel in seiner Näh´,Seine bleichenden Knöchelchen fände spätEin Gräber im Moorgeschwele.Da mählich gründet der Boden sich,Und drüben, neben der Weide,Die Lampe flimmert so heimatlich,Der Knabe steht an der Scheide.Tief atmet er auf, zum Moor zurückNoch immer wirft er den scheuen Blick:Ja, im Geröhre war´s fürchterlich,O schaurig war´s in der Heide!
Süße Ruh, süßer Taumel im Gras,Von des Krautes Arome umhaucht,Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut,Wenn die Wolk´ am Azure verraucht,Wenn aufs müde, schwimmende HauptSüßes Lachen gaukelt herab,Liebe Stimme säuselt und träuftWie die Lindenblüt´ auf ein Grab.Wenn im Busen die Toten dann,Jede Leiche sich streckt und regt,Leise, leise den Odem zieht,Die geschlossne Wimper bewegt,Tote Lieb´, tote Lust, tote Zeit,All die Schätze, im Schutt verwühlt,Sich berühren mit schüchternem KlangGleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.Stunden, flüchtger ihr als der KußEines Strahls auf den trauernden See,Als des ziehenden Vogels Lied,Das mir nieder perlt aus der Höh,Als des schillernden Käfers Blitz,Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,Als der heiße Druck einer Hand,Die zum letzten Male verweilt.Dennoch, Himmel, immer mir nurDieses eine mir: Für das LiedJedes freien Vogels im BlauEine Seele, die mit ihm zieht,Nur für jeden kärglichen StrahlMeinen farbig schillernden Saum,Jeder warmen Hand meinen Druck,Und für jedes Glück meinen Traum.
So gern hätt ich ein schönes Lied gemachtvon deiner Liebe, deiner treuen Weise;die Gabe, die für andre immer wacht,hätt ich so gern geweckt zu deinem Preise. Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr,und wie ich auch die Reime mochte stellen,des Herzens Fluten wallten darüber her,zerstörten mir des Liedes zarte Wellen. So nimm die einfach schlichte Gabe hin,von einfach ungeschmücktem Wort getragen,und meine ganze Seele nimm darin:Wo man am meisten fühlt,weiß man nicht viel zu sagen. Nun ist der liebe Mai im Land,mit Blumen zog er ein,und diese Blumen, die ich fand,bring´ ich dir, Mütterlein!Das Blümchen braucht den Sonnenschein,sonst geht es bald zugrund´,und ich, ich brauch´ mein Mütterlein:Gott halte dich gesund!So wie das Blümlein dankbar istfür jeden Sonnenstrahl,so dankt dir für die Lieb´ dein Kind:Gott lohn´ dir´s tausendmal!
´S gibt Gräber, wo die Klage schweigt,Und nur das Herz von innen blutet,Kein Tropfen in die Wimpern steigt,Und doch die Lava drinnen flutet;´S gibt Gräber. die wie MitternachtAn unserm Horizonte stehn,Und alles Leben niederhalten,Und doch, wenn Abendrot erwacht,Mit ihren goldnen Flügeln wehn,Wie milde Seraphimgestalten.Zu heilig sind sie für das Lied,Und mächt´ge Redner doch vor allen,Sie nennen dir, was nimmer schied,Was nie und nimmer kann zerfallen;O, wenn dich Zweifel drückt herab,Und möchtest atmen Ätherluft,Und möchtest schauen Seraphsflügel,Dann tritt an deines Vaters Grab!Dann tritt an deines Bruders Gruft!Dann tritt an deines Kindes Hügel!
Über dem Brünnlein nicket der Zweig,Waldvögel zwitschern und flöten,Wild Anemon´ und Schlehdorn bleichIm Abendstrahle sich röten,Und ein Mädchen mit blondem HaarBeugt über der glitzernden Welle,Schlankes Mädchen, kaum fünfzehn Jahr,Mit dem Auge der scheuen Gazelle.Ringelblumen blättert sie ab:»Liebt er?« - »liebt er mich nimmer?«Und wenn »liebt« das Orakel gab,Um ihr Antlitz gleitet ein Schimmer:»Liebt er nicht« - o Grimm und Graus!Daß der Himmel den Blüten gnade!Gras und Blumen, den ganzen StraußWirft sie zürnend in die Kaskade.Gleitet dann in die Kräuter lind,Ihr Auge wird ernst und sinnend;Frommer Eltern heftiges Kind,Nur Minne nehmend und minnend,Kannte sie nie ein anderes BandAls des Blutes, die schüchterne Hinde;Und nun Einer, der nicht verwandtIst das nicht eine schwere Sünde?Mutlos seufzet sie niederwärts,In argem Schämen und Grämen,Will zuletzt ihr verstocktes HerzRecht ernstlich in Frage nehmen.Abenteuer sinnet sie aus:Wenn das Haus nun stände in Flammen,Und um Hilfe riefen herausDer Karl und die Mutter zusammen?Plötzlich ein Perlenregen dichtStürzt ihr glänzend aus beiden Augen,In die Kräuter gedrückt ihr Gesicht,Wie das Blut der Erde zu saugen,Ruft sie schluchzend: »ja, ja, ja!«Ihre kleinen Hände sich ringen,»Retten, retten würd´ ich Mama,Und zum Karl in die Flamme springen!«
Kein Wort, und wär es scharf wie Stahles Klinge, soll trennen, was in tausend Fäden eins, so mächtig kein Gedanke, daß er dringe in den Becher reinen Weins. Das Leben ist so kurz, das Glück so selten, so großes Kleinod, einmal sein statt gelten!
Denk an das Aug’, das, überwacht,noch eine Freude dir bereitet;denk an die Hand, die manche Nachtdein Schmerzenslager dir gebreitet.Des Herzens denk, das einzig wundund einzig selig deinetwegen;und dann knie nieder auf den Grundund fleh um deiner Mutter Segen.