Oft in der stillen Nacht.
Oft in der stillen Nacht,
wenn zag der Atem geht
und sichelblank der Mond
am schwarzen Himmel steht,
wenn alles ruhig ist
und kein Begehren schreit,
führt meine Seele mich
in Kindeslande weit.
Dann seh´ ich, wie ich schritt
unfest mit Füßen klein,
und seh´ mein Kindesaug und seh´ die Hände mein
und höre meinen Mund,
wie lauter klar er sprach
und senke meinen Kopf
und denk´ mein Leben nach:
Bist du, bist du allweg
gegangen also rein,
wie du gegangen bist
auf Kindes Füßen klein?
Hast du, hast du allweg
gesprochen also klar,
wie einsten deines Munds
lautleise Stimme war?
Sahst du, sahst du allweg
so klar ins Angesicht
der Sonne, wie dereinst
der Kindesaugen Licht?
Ich blicke, Sichel, auf
zu deiner weißen Pracht;
tief, tief bin ich betrübt
oft in der stillen Nacht.

Barthold Heinrich Brockes
Bitte anmelden, um Kommentare zu sehen und zu posten

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.