Es war ein reicher Mann,
Er war von altem Adel;
Den ganzen Lebensweg
Hielt er sich ohne Tadel.

Erzogen ist er gut,
Streng wachten seine Lehrer,
Und auf dem Tugendpfad
Ward er kein Gassenkehrer.

Dem Staate dient er treu,
Focht tapfer vor dem Feinde,
Dann zog er sich zurück
In seine Gutsgemeinde.

Der Orden Stufensteig
Erklomm er con amore;
Er wurde Kammerherr,
Er saß im Tempelchore.

Er nahm sich auch ein Weib,
Erzeugt ein Dutzend Kinder,
Wie jeder fixe Kerl,
Ob Schuster oder Schinder.

Fromm bleibt er bis zuletzt,
Aus innrer Herzensneigung;
Daß er der Kirche Freund,
Fand nie bei ihm Verschweigung.

Er hat sein Last, sein Teil,
Wie jeder Erdenbürger;
Auch ihm sind Gram und Kreuz
Die beiden wackern Würger.

So schritt er mühelos
Auf glatt gelegten Bahnen
Und stieg mit Fackelpomp
Hinunter zu den Ahnen.

Kennt ihr der Menschen Buch?
Schlagt nach im Wortregister:
Er blieb im Mittelmaß,
Ein gründlicher Philister.

Detlev von Liliencron

Zusätzliche Informationen

»Nebel und Sonne«, 1900
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