Gedichte von Friedrich von Logau

Friedrich von Logau

deutscher Dichter
* 1604 - Brochocin, Schlesien , Polen
†24.7. 1655 - Liegnitz, Niederschlesien , Polen

Ernst war das Jahr, das nun geendet,
ernst ist das Jahr, das nun beginnt.
Daß sich die Welt zum beß´ren wendet
sei, Mensch, zum Besseren gesinnt.
Bedenk: das Schicksal aller Welt
ist mit in deine Macht gestellt,
und auch das Kleinste in der Zeit
ist Bild und Keim der Ewigkeit.

—

Die Großmutter spricht:
Ein Manneskuß sticht
Und beißt, gleich der Schlange,
Drum wahr´ deine Wange.

Recht hat sie hierin;
Denn als mich letzthin
Der Jäger tat küssen,
Hat er mich gebissen.

Noch sind mir zur Stund Die Lippen ganz wund;
Doch sprech´ ich von Herzen:
Mir macht er nicht Schmerzen!

Und biss´ er mich sehr,
Ich wehrt´s ihm nicht mehr;
Zwar ist es nicht üblich,
Doch beißt er zu lieblich!

—

Man schilt die schwarze Kunst;
ich halte viel von ihr;
dann durch die schwarze Schrift
kümmt Kunst auf weiß Papier
und vom Papier ins Haupt
und so fort für und für.

—

Alsbald ein neues Kind
Die erste Luft empfindt,
So hebt es an zu weinen;
Die Sonne muß ihm scheinen
den viermal zehnten Tag,
Eh als es lachen mag.
O Welt, bei deinen Sachen
Ist Weinen mehr als Lachen!

—
Nachweis / Zusammenhang
Logau: »Sinngedichte«, entstanden ca. Mitte 17. Jhdt., hg. v. C.W. Ramler und G.E. Lessing unter dem Titel ›Friedrichs von Logau Sinngedichte: Zwölf Bücher. Mit Anmerkungen über die Sprache des Dichters‹, In der Weidmannischen Buchhandlung Leipzig, 1759

Die Welt, die ist ein Buch, ein jeder eine Letter;
Die Länder sind der Bund; die Zeiten sind die Blätter.
In diesem find´t man mehr betört als kluge Sachen;
In diesem find´t man mehr zum Klagen als zum Lachen;
In diesem find´t man mehr zu meiden als zu üben;
In diesem find´t man mehr zu hassen als zu lieben.

—

Technikus kann alle Sachen
Andre Leute lehren, selbsten machen,
Reiten kann er, fechten, tanzen,
Bauen kann er Städt´ und Schanzen;
Singen kann er, messen rechnen,
Schön und zierlich kann er sprechen;
Stadt und Land kann er regieren,
Recht und Sachen kann er führen;
Alle Krankheit kann er dämpfen,
Für die Wahrheit kann er kämpfen;
Alle Sterne kann er nennen,
Bös´ und Gutes kann er kennen,
Gold und Silber kann er suchen,
Brauen kann er, backen, kochen;
Pflanzen kann er, säen pflügen,
Und zuletzt – erschrecklich lügen!

—
Nachweis / Zusammenhang
Logau: »Sinngedichte«, entstanden ca. Mitte 17. Jhdt., hg. v. C.W. Ramler und G.E. Lessing unter dem Titel ›Friedrichs von Logau Sinngedichte: Zwölf Bücher. Mit Anmerkungen über die Sprache des Dichters‹, In der Weidmannischen Buchhandlung Leipzig, 1759

Anders sein und anders scheinen,
Anders reden, anders meinen,
Alles loben, alles tragen,
Allen heucheln, stets behagen,
Allem Winde Segel geben,
Bös´ und Gutem dienstbar leben,
Alles Tun und alles Dichten
bloß auf eignen Nutzen richten:
Wer sich dessen will befleißen,
kann politisch heuer heißen.

—

Sein Eigenschaft und Art
Bekam ein jedes Tier,
Und wie sie einmal war,
so bleibt sie für und für.
Der Löwe bleibt beherzt,
Es bleibt der Hase scheu,
Der Fuchs bleibt immer schlau,
Der Hund verbleibt getreu;
Der Mensch nur wandelt sich,
Verpuppt sich immerdar,
Ist diese Stunde nicht,
Der er in jener war.
Was hilft ihm dann Vernunft?
Sie hilft ihm ganz allein,
Daß mit Vernunft er kann
Recht unvernünftig sein.

—

Was kostet unser Fried?
O, wie viel Zeit und Jahre!
Was kostet unser Fried?
O, wie viel graue Haare!
Was kostet unser Fried?
O, wie viel Ströme Blut!
Was kostet unser Fried?
O, wie viel Tonnen Gut!

—
Nachweis / Zusammenhang
Logau: »Sinngedichte«, entstanden ca. Mitte 17. Jhdt., hg. v. C.W. Ramler und G.E. Lessing unter dem Titel ›Friedrichs von Logau Sinngedichte: Zwölf Bücher. Mit Anmerkungen über die Sprache des Dichters‹, In der Weidmannischen Buchhandlung Leipzig, 1759

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