Ich bin ein freier Mann und singe
Mich wohl in keine Fürstengruft,
Und alles, was ich mir erringe,
Ist Gottes liebe Himmelsluft.
Ich habe keine stolze Feste,
Von der man Länder übersieht,
Ich wohn´ ein Vogel nur im Neste,
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Ich durfte nur, wie andre, wollen,
Und wär´ nicht leer davongeeilt,
Wenn jährlich man im Staat die Rollen
Den treuen Knechten ausgeteilt;
Allein ich hab´ nie zugegriffen,
So oft man mich herbei beschied,
Ich habe fort und fort gepfiffen,
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Der Lord zapft Gold aus seiner Tonne,
Und ich aus meiner höchstens Wein;
Mein einzig Gold die Morgensonne,
Mein Silber all der Mondenschein!
Färbt sich mein Leben herbstlich gelber,
Kein Erbe, der zum Tod mir riet;
Denn meine Münzen prägt´ ich selber;
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Gern sing´ ich abends zu dem Reigen,
Vor Thronen spiel´ ich niemals auf;
Ich lernte Berge wohl ersteigen,
Paläste komm´ ich nicht hinauf;
Indes aus Moder, Sturz und Wettern
Sein golden Los sich mancher zieht,
Spiel´ ich mit leichten Rosenblättern;
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Nach dir, nach dir steht mein Verlangen,
O schönes Kind, o wärst du mein!
Doch du willst Bänder, du willst Spangen,
Und ich soll dienen gehen? Nein!
Ich will die Freiheit nicht verkaufen,
Und wie ich die Paläste mied,
Lass´ ich getrost die Liebe laufen;
Mein ganzer Reichtum sei mein Lied.

Georg Herwegh
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