An Tagen, da der Schwermut breite Schwingen
Ob meiner Seele eb´nen Planen schweben,
Beugt sich der Stamm des Lebensbaums zur Erde.
Aus solcher Zeit trägt meine Stirne Furchen
Und tief´re Narben mein empfindsam Herz,
Als aus dem Schlachtgetös´ des thätigen Lebens.
An solchen Tagen weiß ich mit Entsetzen,
Daß alle Kunst nur Spiel und Thorheit ist,
Den Greisenblick zum Kindesblick zu fälschen;
Daß nie das Rauschen eines Heldenlieds
Aus Memmen Helden schuf; daß Bösewichter,
Im Schauspielhause vor der Szene sitzend,
Des falschen Pathos lächeln, das sie feiert;
Daß dieser Dirne Lachen Eva lachte,
Und Kain, der vor Millionen dunklen Jahren
Den Bruder Abel schlug, noch lebt und haßt.
An solchen Tagen bin ich ohne Hoffnung
Und flüchte mich zum Lied, wie oft im Kriege
In Gärten das Entscheidungsmorden wütet.
Heut´ aber, da der Schwermut Schwingenschlag
Von fernher meiner Seele Halme beugt,
Heut´ lad´ ich dich, die du voll Sonne bist,
Zu mir ins Haus: bring´ mir die Sonne mit.
Noch lechzt mein Herz nach Licht. Kommst du zu spät,
So liegt mein Haus in Nacht. Kommst du zur Zeit,
So wollen wir die Krüge roten Weins
Mit Rosen kränzen. Aber spute dich !
Ich war zu lang´ allein: die Einsamkeit
Schreit schon nach ihrer Schwester, nach der Schwermut.

Hugo Salus
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