Seele, wirf den Kummer hin,
Deiner Hoheit nachzudencken,
Und las dir den freyen Sinn
Durch des Leibes Last nicht kräncken;
Diese Bürde, so man trägt,
Wird in kurzem abgelegt.

Die Gefangenschaft vergeht,
Stahl und Feßel müßen brechen;
Unsers Lebens Alphabet
Ist ja noch wohl auszusprechen,
Macht doch auch die ganze Zeit
Keinen Punct der Ewigkeit.

Sclaven werden endlich frey
Und der Kercker aufgebrochen,
Wenn des Todes Tyranney
Ihren Feinden Hohn gesprochen;
Ja, der längste Richterstab
Reichet selten bis ins Grab.

Heiden mögen mit der Gruft
Ihren Hofnungsport verschließen
Und, wenn das Verhängnüß ruft,
Thränen vor Verdruß vergießen,
Weil sie dieser Wahn betriegt,
Daß der Geist zugleich verfliegt.

Unser Glaube bricht die Bahn
Durch den Kirchhof in das Leben.
Wer die Welt nicht grüßen kan,
Lernt ihr zeitlich Abschied geben;
Denn er glaubet, daß der Geist
Sich der Sterbligkeit entreißt.

Nun wohlan, ich bin bereit,
Meine Glieder hinzulegen;
Denn des Todes Bitterkeit
Führet uns auf Dornenwegen
In des Himmels Rosenfeld,
Wo die Wollust Tafel hält.

Johann Christian Günther
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