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Das Kind der Sorge
Johann Gottfried Herder
Einst saß am murmelnden Strome
Die Sorge nieder und sann;
Da bildet´ im Traum der Gedanken
Ihr Finger ein leimernes Bild.
»Was hast Du, sinnende Göttin?«
Spricht Zeus, der eben ihr naht.
»Ein Bild, von Thone gebildet;
Beleb´s! ich bitte Dich, Gott.«
»Wohlan denn! lebe! – Es lebet!
Und mein sei dieses Geschöpf!«
Dagegen redet die Sorge:
»Nein, laß es, laß es mir, Herr!«
»Mein Finger hat es gebildet.«
»Und ich gab Leben dem Thon,«
Sprach Jupiter. Als sie so sprachen,
Da trat auch Tellus hinan.
»Mein ist´s! Sie hat mir genommen
Von meinem Schooße das Kind.«
»Wohlan!« sprach Jupiter, »wartet!
Dort kommt ein Entscheider, Saturn.«
Saturn sprach: »Habet es Alle!
So will´s das hohe Geschick.
Du, der das Leben ihm schenkte,
Nimm, wenn es stirbet, den Geist;«
»Du, Tellus, seine Gebeine;
Denn mehr gehöret Dir nicht.
Dir, seiner Mutter, o Sorge,
Wird es im Leben geschenkt.«
»Du wirst, so lang´ es nur athmet,
Es nie verlassen, Dein Kind.
Dir ähnlich, wird es von Tage
Zu Tage sich mühen ins Grab.«
Des Schicksals Spruch ist erfüllet,
Und Mensch heißt dieses Geschöpf;
Im Leben gehört es der Sorge,
Der Erd´ im Sterben und Gott.