Was weiß denn ich vom Menschenleben?
Bin freilich scheinbar dringestanden,
aber ich hab´ es höchstens verstanden,
konnte mich nie darein verweben.
Hab mich niemals daran verloren.
Wo andre nehmen, andre geben,
blieb ich beiseit, im Innern stummgeboren.
Ich hab von allen lieben Lippen
den wahren Trank des Lebens nie gesogen,
bin nie von wahrem Schmerz durchschüttert,
die Straße einsam, schluchzend, nie! gezogen.
Wenn ich von guten Gaben der Natur
je eine Regung, einen Hauch erfuhr,
so nannte ihn mein überwacher Sinn,
unfähig des Vergessens, grell beim Namen.
Und wie dann tausende Vergleiche kamen,
war das Vertrauen, war das Glück dahin.
Und auch das Leid! zerfasert und zerfressen
vom Denken, abgeblaßt und ausgelaugt!
Wie wollte ich an meine Brust es pressen,
wie hätt ich Wonne aus dem Schmerz gesaugt:
Sein Flügel streifte mich, ich wurde matt,
und Unbehagen kam an Schmerzes Statt...

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf
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