Das Schiff ging seinen steten Gang,das Meer war weit, der Tag war lang.Ich lag im dumpfen Kämmerlein,da kam ein Traum zu mir herein. Mir war, ich stände ohne Zweckund Absicht auf dem Achterdeck.Da flog ein Engel, wohlbekannt,aus meinem teuren Mutterland,schwebt´ auf den Wellen, glitt und schliffim Wettstreit mit dem schnellen Schiff.Die Flügel schwang er durch die Luft,da quoll´s wie Heimatsbergesduft.Dann sang er einen starren Ton.Da leuchtete die Welt davon.Ein zweiter Engel nach ihm sangdenselben starren schönen Klang,und kaum erschloss er seinen Mund,so grünte rings die Welt im Rund.Und immer neue Engel mehrerschienen durch die Luft daher.Mit rosigem Farbentaumeltanzumringten sie das Schiff im Kranz.Jetzt hoben sie sich plötzlich aufund flatterten zum Deck hinauf.Die einen setzten sich aufs Bord,die andern auf die Segelrah´,wohin mein trunk´nes Auge sah,ein liebes Antlitz grüßte dort. Sie wechselten den Platz im Flug.Die Schwingen blitzten Zug auf Zug.Vom Bugspriet bis zum Mastenspitz zuckte der Silberflügel Blitz. Mir ward so wohl, mir ward so weich,ich schrie: »O Gott, wie bin ich reich.« Doch als ich wiederum erwacht´,umfing mich kalte Regennacht.Schnöde Gesichter um mich her,und um und um das öde Meer.Ich leg´ den Kopf auf meinen Arm:»Wie war ich reich, wie bin ich arm.«
Wann wars, daß wir lagen im grünen Gras?Im Juli ferne.Was sagtest du, daß du mich habest, was?"Kein bißchen gerne."Was blühte dir in den roten Mund?Mariamargretchen.Wem meintest du, daß du gleichest im Grund?"Einem Gartenbeetchen."Ich sprach: "Ja, was soll ich nun eigentlich Kraut,Wen Unkraut nennen?"Wie ein Iltis hast du mich angeschaut.Nicht zu verkennen.Wir hatten auf unserm SommersitzVergnüglich gedauert.Da kam hinterm Hügel ein KirchturmspitzHervorgelauert."Ja komm nur, du Frommer! und spionier!Spitz Nas´ und Ohren!Notiere dir jeden Kuß wegen mir!Bist stumm geboren.Was nützt dir der Zeiger im ZifferblattAls Stunden zu drehen?Gut, daß er kein Sprachrohr im Schnabel hat,Er würd´ uns verkrähen."Und weil einmal Leichtsinn und Würde nicht sehrZusammenpassen,So schnitten wir eben, es war nicht schwer,Dem Kirchturm Grimassen.Wir stiegen am Abend voll blauen GlücksAus dem grünen Himmel.Da verfolgt uns der Kirchturm hinterrücksMit Glockengebimmel:"Fürio! ihr Leute! Landjäger herbei!Weglagerer, Diebe!Es zünseln, es brenzeln die beiden zweiBrandstiftende Liebe!""Ei, daß dich das Wetter, du Schreihals du!Der Blitz soll dich treffen!Uns erst mit erlogener KirchhofruhSo schändlich zu äffen!"Was hilfts? jetzt weiß doch die Lästerwelt,Wie wir es halten.Drum wollen wir nur um so fester, gelt?Zusammenhalten.
Im Traume wars. Ein PilgerschwarmVon Männern und von Frauen zogDurch meine Heimat Hand in Hand,Lobsingend einen süßen Psalm.Im letzten Gliede schreitend folgtIch selig der verwandten Schar.Da schwang durch den harmonischen Chor,Vom Haupt des Zuges, unsichtbarsich eine Stimme jung und frischUnd klar, weithin Gebirg und TalVergoldend mit dem sonnigen Sang.Allein die Stimme jauchzte falsch,Im Tone hinkend und im Takt.Und ob dem wundersamen SangSo schön, so innig und so falsch,Warf ich mich schluchzend auf den Weg,Die Zähne klemmend in die Faust,Die Stirn im heimatlichen Staub.
Flaumflocken flüstern vom Himmel leis.Ein Wandrer steigt über Firn und Eis.Die Schneefrau folgt ihm mit tückischem Schritt:»Halt stille, mein Lieber, und nimm mich mit,Der Abend ist nah, und der Gipfel ist fern.Ich spiel dir zur Kurzweil ein Liedchen gern.«Sie setzt an die Lippe die grüne Schalmei,die jauchzte von Blumen und Lenz und Mai.Er lauschte, die Wangen von Tränen naß,dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß. Und finstrer wölkt sich der dämmernde Schnee.Sie schlich ihm zur Seite auf listiger Zeh´:»Halt! daß ich dir leuchte, du wandelst irrEin freundliches Märchen erzähl´ ich dir.«Eine Ampel zog sie aus ihrem Gewand;Da glänzt ihm vor Augen der Heimat Land,der Hügel, der Garten, die Eltern seinim seligen goldigen Jugendschein.Er schwankte. Schon kürzt er der Schritte Maß,dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß. Und es stürmt und es stöbert mit Sturmesmacht,vom heulenden Felsen gähnt weiße Nacht.Sein Wille versagte, sein Knie versank.Da saß sie auf einer steinernen Bank.»Hier ist es behaglich; komm, setze dich,Ich weiß zu kosen gar minniglich.Und lockt dich der Schlummer und lacht dir ein TraumAn meinem warmen Busen ist Raum.«Sie blickte so lieblich, sie nickte so hold,als ob sich der Himmel ihm öffnen wollt.Er wankt ihr entgegen in taumelndem Laufund fiel ihr zu Füßen - stand nie mehr auf.
Mit einem Trupp entschlossener GesellenEntwich im Traum ich heimlich übers Weltmeer.In finstrer Nacht erreichten wir die Heimat.Die einen hielten mit gespannter BüchseAm Tor der Kirchhofmauer Wacht. Der RestVersah die Pferde. Nach dem Grab des VatersSchlich ich hinüber, und mit banger Hast,Verhaltnen Atems, fing ich an zu schaufeln.Ich grub und grub. In bodenlose TiefenTauchte der Spaten. Doch vergebens. "Vater",Rief ich, am Boden hingestreckt, "Ich bin´s !Die Pferde stehn bereit! Auf! laß uns fliehn!"Da stand er plötzlich neben mir; leibhaftigUnd wahr, als wär er niemals tot gewesen.Nur etwas müde. Mit den Händen faßtEr meinen Arm sein Auge blieb geschlossen,Und wie im Traume lallte seine Zunge.Ich hob ihn rasch aufs Pferd. Und während wirMit hoffnungsfrohem Mut von dannen sprengten,Begann ich ihm von Völkerkrieg und Frieden,Und was sich andres seither zugetragen,Zu melden und zu schildern. Muntrer wurdeSein Angesicht, und öfters nickt er lächelnd.Allmählich aber schlottert er im Sattel.Der Körper sank, die Hände suchten Stütze.Unruhig schüttelt er den weißen Bart.Dann flüstert er mit tonverlassner Stimme:"Es wird mir doch zu schwer. Ich möchte ruhn."Und während ich ihn aus dem Sattel hob,Entdeckt ich plötzlich, daß ihm eine Wunde,Vom Hemd verdeckt, die mächtige Brust zerfraß.War alles hohl inwendig, gleich als wenn erUnter der Haut nicht Fleisch und Bein mehr hätte.Und ich begriff, daß ich ihn nie mehr rette.
In dieser Welt, von Übelnkrank, vom Blute rot,tut Geist und Schönheit,tut ein Flecklein Himmel not,ein Glücklicher, der nichtsvom Pfuhl des Jammers weiß,ein Edler, rein von Schuld,ein Held, deß Helmbusch weiß.