In der Nacht, die die Bäume mit Blüten deckt,
Ward ich von süßen Gespenstern erschreckt,
Ein Reigen schwang im Garten sich,
Den ich mit leisem Fuß beschlich;
Wie zarter Elfen Chor im Ring
Ein weißer, lebendiger Schimmer ging.
Die Schemen hab´ ich keck befragt:
Wer seid ihr, luftige Wesen? Sagt!
– Ich bin ein Wölkchen, gespiegelt im See. –
– Ich bin eine Reihe von Stapfen im Schnee. –
– Ich bin ein Seufzer gen Himmel empor! –
– Ich bin ein Geheimnis, geflüstert ins Ohr!–
– Ich bin ein frommes, gestorbenes Kind. –
– Ich bin ein üppiges Blumengewind –
Und die du wählst, und der´s beschied
Die Gunst der Stunde, die wird ein Lied. –

Conrad Ferdinand Meyer

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schweizerischer Dichter und Novellist, Epiker
* 11.10. 1825 - Zürich
28.11. 1898 - Kirchberg
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