Verlaßner werde ich mit jedem Jahr,
und nun verlor ich auch mein bestes Lied. –
Ich saß bei einem Kognak an der Bar
so düster, daß mich jedes Mädchen mied.

Dann ging ich durch die Stadeutscher Die Nacht war mild.
Es war, als ob mein Vater mit mir sprach.
Jetzt hock ich trostlos unter deinem Bild
und traure dem versäumten Leben nach.

Das war ein Fest … ein Kleid im Wind … ein Wink…
und immer eine Schwermut, die uns schied,
zuletzt nur wieder dies: "Vergiß und trink!"
Und nun verlor ich auch mein bestes Lied.

War doch mir Liebeslust noch prophezeit,
und daß die Schicksalswege sich erneun –
zu spät erblühte diese Glücklichkeit
und könnte meinen Herbst nicht mehr erfreun.

Denn herbstlich geh ich mitten durch den Mai,
der als ein Spuk an mir vorüberzieht,
als wisse er, daß dies der letzte sei.
Verloren ist mein Leben und mein Lied.

Max Herrmann-Neiße
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