Waisenkinder auf der Haide1876Kein Obdach! Birg in meinem SchooßeDas liebe Lockenköpfchen deinUnd schließ´ das Aug´, das dunkle, große,Zu gold´nem Traum, mein Brüderlein!Die Nacht bricht an - die Vögel schweifenZu Nest, zu Nest mit letzter Kraft;Der Nebel wallt in langen StreifenSo grau daher - und märchenhaftZiehn Glockenklänge auf der Haide.Da liegt es ja im Abendscheine,Das stille kleine Gotteshaus,Und rings herum viel Leichensteine,An manchem Kreuz ein Blumenstrauß.Wie muß es sich doch unter´m HügelSo heimlich lauschend und so sacht,Wenn traumhaft senkt den weichen FlügelUnd lautlos horcht die SommernachtDen Glockenklang auf der Haide!Der Tod so süß, so hart das Leben-Träum´ fort, träum´ fort, mein Brüderlein!In Winterfrost, in SturmeswebenWer thut uns auf, wer läßt uns ein?Wie schön, dem Glück in´s Auge sehen,In´s Auge warm und strahlenhell –Uns winkt´s nur im VorübergehenUnd kommt und flieht, wie Träume schnell,Wie Glockenklänge auf der Haide.Träum´ fort, träum´ fort – und doch! wie heuteSo wundersam sich hebt mein Muth,Als grüßt´ uns Gott aus dem Geläute:"Getrost! Es wird noch Alles gut."Als ging er mit des Tages ScheidenDie Haid´ entlang von Ort zu OrtUnd sprach´ zu Allen, die da leiden,Ein freundlich Wort, ein VaterwortAus Glockenklängen auf der Haide.
Leise rauschend durch RuinenZieht der Abendwind,Flüstert alte, düst´re Märchen,Die vergessen sind.Von den Bäumen herbstestraurig,Sinkt nun Blatt auf Blatt,Sucht in der Ruine SchweigenEine Grabesstatt.Fallen wird auch sie,Die trotzig manch´ Jahrhundert stand,Ziehen werden, wo sie ragte,Nebel übers Land.»Märchenhaft ist dieses Leben!«Seufzt der Abendwind:In der heißen Brust erglommenMir zwei Wünschlein sind:Meinem Leben eine Seele,Die sich meiner eint,Meinem Grabe eine Thräne,Die die Liebe weint!
Der Herbstwind weht; die dürren Blätter fallenIns Wintergrab;Der Raben dumpfen Klaglaut hör´ ich schallenVom Thurm herab.Verwelkt und dürr hängt noch an GartenmauernDer Blumen Rest;Und flugesmüde Vögel bange kauernIm engen Nest.Denn wo geschwebt auf maienhaften BahnenDer Rose Duft,Weht traurig wie ein unheimliches AhnenOktoberluft.Und wenn der Sturm die grauen Nebel drängetDas Meer entlang,Und wenn mit Weheruf die Möve hängetAm Felsenhang:Dann denk´ ich deiner, mit betrübten Sinnen,Vergänglichkeit,Dann scheint so klein mir in der Brust tiefinnenSo Freud´, wie Leid.Der Herbstwind weht; die dürren Blätter fallen:Was weinest du?Getrost! Auch dir wird einst nach kurzem WallenDie lange Ruh´.