Schmerz empfinden und des süßen
Tränentrostes zu entbehren,
ist ein Leiden, das ich keinem
meiner Freunde und auch keinem
meiner Feinde jemals wünsche.

Denn von allen Erdenqualen
scheint mir diese noch die höchste:
Trocknen Auges zu bejammern,
was ein unerbittlich Schicksal
allzufrüh dem Herzen raubte.

Glücklich preis´ ich darum Jeden,
dem die Last geheimen Wehes
sich in flüssigen Kristallen
aus den Augen langsam löst.
Ihn wird nicht der Gram verzehren.

Aber tränenlos zu dulden –
das geht über Menschenkräfte,
das vermag ein Herz von Stein
aus dem Grunde zu erschüttern,
mit Verzweiflung es zu füllen.

Aus der Höhe
Die Trauernden sehen
den Fröhlichen zu,
und ihr Auge erwacht
und ihr Herz kommt zur Ruh.

Blitze suchen sich Wege
durch Wälder und Meer,
tief bannet ein Zauber
das himmlische Heer.

Geisterrufe verklingen
im Dome der Zeit,
es kämpft mit dem Heute
die Ewigkeit.

Julius Langbehn

Mehr von

deutscher Schriftsteller und Kulturkritiker
* 26.3. 1851 - Hadersleben, Nordschleswig , Dänemark
30.4. 1904 - Rosenheim, Bayern , Deutschland
Bitte anmelden, um Kommentare zu sehen und zu posten