Liebet einander,doch macht die Liebe nicht zur Fessel:Schaffet eher daraus ein webendes Meerzwischen den Ufern eurer Seelen.Füllet einander den Kelch,doch trinket nicht aus einem Kelche.Gebt einander von eurem Brote,doch esset nicht vom gleichen Laibe.Singet und tanzet zusammen und seid fröhlich,doch lasset jeden von euch allein sein.Gleich wie die Saiten einer Laute allein sind,erbeben sie auch von derselben Musik.Gebet einander eure Herzen,doch nicht in des andern Verwahr.Denn nur die Hand des Lebensvermag eure Herzen zu fassen.Und stehet beieinander,doch nicht zu nahe beieinander:Denn die Säulen des Tempels stehen einzeln,und Eichbaum und Zypressewachsen nicht im gegenseitigen Schatten.
Da sprach Almitra: „Rede uns von der Liebe.“Und er erhob das Haupt und blickte auf die Menge.Und es fiel ein Schweigen über sie. Und die große Stimme sprach also:„Winkt dir die Liebe, so folge ihr,sind auch ihre Wege hart und steil.Und umfahn dich ihre Flügel, so ergib dich ihr,mag auch das unterm Gefieder verborgne Schwert dich verwunden.Und redet sie mit dir, so trau ihrem Wort,mag auch ihre Stimme deine Träume erschüttern,wie der Nordwind den Garten verwüstet.Denn gleich wie die Liebe dich krönt, so wird sie dich kreuzigen,wie sie deinen Lebensbaum entfaltet, so wird sie ihn beschneiden.Wie sie emporsteigt zu deiner Höheund die zartesten Zweige liebkost, die in der Sonne erbeben,ebenso wird sie hinabsteigen zu deinen Wurzelnund sie aufrütteln in ihrem Festklammern am Erdboden.Gleich Garben von Korn rafft sie dich an sich.Sie drischt dich, um dich zu entblößen.Sie siebt dich, um dich von Spreu zu befrein.Sie zermalmt dich, bis du weiß wirst,sie knetet dich, bis du geschmeidig bist.Und dann beruft sie dich an ihr heil‘ges Feuer,auf daß du heil´ges Brot werdest zu Gottes heil´gem Festmahl.All dies soll die Liebe dir antun, auf daß du kennest das Geheime deines Herzens und in diesem Wissen ein Bruchteil werdest vom Herzen des Lebens.Doch suchest du in deiner Angst nur der Liebe Ruh‘ und der Liebe Lust,dann tätest du besser, deine Nacktheit zu verhüllenund der Liebe Tenne zu entfliehn,in die schale Welt, wo du wirst lachen,doch nicht ein ganzes Leben, und weinen,doch nicht all deine Tränen.Liebe gibt nichts als sich selber und nimmt nichts aus sich selbst heraus.Liebe besitzet nicht und läßt sich nicht besitzen;denn Liebe genügt der Liebe.Wenn du liebst, so sage nicht: „Gott in meinem Herzen“,sag‘ lieber: „Ich bin in Gottes Herzen.“Und denke nicht, du könntest der Liebe Lauf lenken;denn Liebe, so sie dich würdig schätzt, lenkt deinen Lauf.Liebe hat keinen anderen Wunsch, als sich zu erfüllen.Doch so du liebst und noch Wünsche haben mußt,so seien dies deine Wünsche:Zu schmelzen und zu werden wie ein fließender Bach,der sein Lied der Nacht singt.Zu kennen die Pein allzu vieler Zärtlichkeit.Wund zu sein von deinem eigenen Verstehen der Liebe;und zu bluten, willig und freudigen Herzens.Zu erwachen beim Morgenrot mit beschwingter Seeleund Dank zu bringen für einen neuen Tag der Liebe,zu rasten um die Mittagsstund‘und nachzusinnen über der Liebe Verzückung;Heimzukehren in Dankbarkeit, wenn der Abend graut;und dann einzuschlafen, mit einem Gebet für deine Liebeim Herzen und einem Lobgesang auf deinen Lippen.
heißt, weise sein, wenn auch vertraut mit der Torheit;heißt, stark sein, aber nicht zum Schaden des Schwachen; heißt, mit den Kindern spielen, aber nicht als ihre Väter, sondern als ihre Kameraden, die ihre Spiele lernen wollen;heißt, einfach und offen sein mit den Alten und mit ihnen im Schatten betagter Eichen sitzen, auch wenn ihr noch im Frühling steht;heißt, einen Dichter suchen, auch wenn er hinter sieben Flüssen wohnt, und in seiner Gegenwart Frieden empfinden, nichts wollen, ohne Zweifel sein und ohne Frage auf den Lippen;heißt, wissen, daß der Heilige und der Sündige Zwillingsbrüder sind, deren Vater unser Barmherziger König ist, und daß der eine nur kurz vor dem anderen geboren wurde, weshalb wir ihn als Kronprinzen betrachten;heißt, der Schönheit folgen, auch wenn sie zum Rande des Abgrunds führt; und wenn sie Flügel hat, ihr aber ohne Flügel seid, ihr folgen, auch wenn sie über den Abgrund geht, denn wo keine Schönheit ist, da gibt es nichts;heißt, ein Garten sein ohne Mauern, ein Weinberg ohne Wächter, eine Schatzkammer, immer offen stehend für Besucher;heißt, ausgeraubt, betrogen, enttäuscht, ja sogar irregeführt, in die Falle geraten und dann verspottet sein, trotz alledem aber herabblicken von der Höhe eures größeren Selbst und lächeln im Bewußtsein, daß es einen Frühling gibt, der in euren Garten kommt, um in euren Blättern zu tanzen, und einen Herbst, der eure Trauben reifen lässt;heißt, wissen, daß ihr nur ein Fenster nach Osten öffnen müßt, um niemals allein zu sein, und wissen, daß alle, die für Übeltäter und Räuber gehalten werden, eure Brüder sind, die ihr braucht, und daß ihr selbst all das seid in den Augen der seligen Bewohner der Unsichtbaren Stadt jenseits von uns.
In der Tiefe meines Geistes gibt es ein Lied,das Worte nicht fassen können;Ein Lied, das aus einem Samen meines Herzenswächst und nicht als Tinte fließt auf das Papier.Mit einem lichten Mantel umschließt es mein Gefühl,Zergeht auf meiner Zunge nicht wie Speichel.Wie soll ich es entlassen, wenn nicht als einen Seufzer,Wobei ich fürchte, daß es sich in Luft auflöst?Wem werde ich dieses Lied singen, das keinen Wohnort kennt?Als meinen Geist?Ich bange drum, der Menschen Ohren sind so hart.
Was du für häßlich hältst, ist es nicht das, was du niemals versucht hast zu erreichen und dessen Sinn zu verstehen du niemals wünschtest? Wenn es Häßliches gibt, so sind es die Schuppen auf unseren Augen und das Wachs, das unsere Ohren verstopft. Mein Freund, nenne nichts häßlich außer der Furcht deiner Seele angesichts ihrer eigenen Erinnerungen.
Und dann sagte ein Gelehrter:"Sprich vom Reden"Und er antwortete und sagte:"Ihr redet dann, wenn ihr aufhört,mit euren Gedanken in Einklang zu sein."Und wenn ihr nicht länger in derAbgeschiedenheit eures Herzens wohnenkönnt, lebt ihr in euren Lippen,und Geräusch ist eine Zerstreuung undein Zeitvertreib.Und in einem Großteil eures Redens wirddas Denken halb ermordet.Denn das Denken ist ein Vogel des Himmels,der in einem Käfig aus Worten zwarvielleicht seine Flügel ausbreitenkann, nicht aber zu fliegen vermag.Es gibt manche unter euch, die ausFurcht vor dem Alleinsein die Gesellschaftdes Geschwätzigen suchen.Die Stille der Einsamkeit läßt ihrnacktes Selbst aufscheinen, und siemöchten entfliehen.Und es gibt jene, die reden und ohneWissen und Absicht eine Wahrheitaussprechen, die sie selbst nichtverstehen.Und es gibt jene, die die Wahrheitin sich tragen, aber diese nichtin Worte fassen.Im Herzen dieser Menschen wohnt derGeist in wogendem Schweigen.Begegnet ihr eurem Freund auf der Straßeoder auf dem Marktplatz, laßt den Geistin euch eure Lippen bewegen und eurerZunge befehlen.Laßt die Stime in eurer Stimme zumOhr seines Ohrs sprechen;Denn seine Seele wird die Wahrheiteures Herzens bewahren, so wie derGeschmack des Wein´s noch im Gedächtnisverbleibt.Wenn die Farbe vergessen ist – und dasGefäß zerbrochen.