Was hatte er nicht schon Alles begraben,
Das einst in ihm lebte und mächtig war,
Das einst ihn erfüllte wie himmlische Gaben,
Mit denen uns schmückt eine Genienschar!

Wenn er zurücksah im Vorwärtsschreiten
Die Lebensstraße, entrollt wie ein Strom,
Da starrten die Gräber wie an den Seiten
Der appischen Straße im alten Rom.

Da lag seine ganze schwärmerische Jugend,
Sein leuchtender Himmel, sein Wissen von Gott,
Sein Glaube an übernatürliche Tugend –
Da lagen sie alle, nun tot und bankrott.

Da lagen in Mausoleen und Grüften
Sein Glaube an eine Unsterblichkeit,
An göttliche Tafeln und heilige Schriften,
An Gut und Bös und Gerechtigkeit.

Da lag sein Fürchten und Hoffen und Beten,
Da lag seine ganze Gewissensruh –
Und nichts was an ihre Stelle getreten,
Als Du und Dein Kind, Dein Kind nur und Du.

Ludwig Scharf

Zusätzliche Informationen

›Verstreut veröffentlichte und handschriftlich überlieferte Gedichte‹ (1883-1926), in: »Ludwig Scharf: Gesammelte Lyrik und Prosa. Mit einer Auswahl aus dem Briefwechsel«, hg. v. Walter Hettche, Aisthesis Archiv 16, Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2011. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Aisthesis Verlags

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deutscher Lyriker
* 2.2. 1864 - Meckenheim, Pfalz
21.8. 1938 - Schloß Patosfa bei Kaposvár, Königreich Ungarn
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