Gedichte von Magnus Gottfried Lichtwer

Magnus Gottfried Lichtwer

Magnus Gottfried Lichtwer

deutscher Schriftsteller und Regierungsrat
* 30.1. 1719 - Wurzen, Sachsen
7.7. 1783 - Halberstadt

Die seltsamen Menschen

Ein Mann, der in der Welt sich trefflich umgesehn,
Kam endlich heim von seiner Reise,
Die Freunde liefen schaarenweise,
Und grüßten ihren Freund; so pflegt es zu geschehn,
Da hieß es allemal: Uns freut von ganzer Seele
Dich hier zu sehn, und nun: Erzähle!

Was ward da nicht erzählt? Hört, sprach er einst, ihr wißt,
Wie weit von uns´rer Stadt zu den Huronen ist,
Eilfhundert Meilen hinter ihnen,
Sind Menschen, die mir seltsam schienen,
Sie sitzen oft bis in die Nacht,
Beisammen vest auf einer Stelle,
Und denken nicht an Gott und Hölle.
Da wird kein Tisch gedeckt, kein Mund wird naß gemacht,
könnten um sie her die Donnerkeile blitzen,
Zwei Heer´ im Kampfe stehn; sollt auch der Himmel schon
Mit Krachen seinen Einfall drohn,
Sie blieben ungestöret sitzen.
Denn sie sind taub und stumm, doch läßt sich dann und wann
Ein halbgebrochner Laut aus ihrem Munde hören,
Der nicht zusammen hängt, und wenig sagen kann,
Ob sie die Augen schon darüber oft verkehren.
Man sah mich oft erstaunt zu ihrer Seite stehen,
Denn wenn dergleichen Ding geschieht,
So pflegt man öfters hinzugehen,
Daß man die Leute sitzen sieht.
Glaubt, Brüder! daß mir nie die gräßlichen Geberden
Aus dem Gemüthe kommen werden,
Die ich an ihnen sah; Verzweiflung, Raserei,
Boshafte Freud´ und Angst dabei,
Die wechselten in den Gesichtern.
Sie schienen mir, das schwör´ ich euch,
An Muth den Furien, an Ernst den Höllenrichtern,
An Angst den Missethätern gleich.

Allein, was ist der Zweck? so fragten hier die Freunde,
Vielleicht besorgen sie die Wohlfahrt der Gemeinde?
Ach nein! So suchen sie vielleicht des Zirkels Viereck finden?
Nein! So bereun sie alte Sünden?
Das ist es alles nicht So sind sie gar verwirret,
Wenn sie nicht hören, reden fühlen,
Noch sehn, was thun sie denn?
Sie spielen.

Gedichte von Magnus Gottfried Lichtwer
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