Gestern fand ich, räumend eines langvergess´nen Schrankes Fächer,Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.Währenddes ich, leise singend, reinigt´ ihn vom Staub der Jahre,War´s, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare,War´s, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken,War´s, als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken.
Heut ward mir bis zum jungen TagDer Schlummer abgebrochen,Im Herzen ging es Schlag auf SchlagMit Hämmern und mit Pochen.Als trieb´ sich eine BubenscharWild um in beiden Kammern;Gewährt hat, bis es Morgen war,Das Klopfen und das Hammern.Nun weist es sich bei Tagesschein,Was drin geschafft die Rangen:Sie haben mir im HerzensschreinDein Bildnis aufgehangen!
Mir träumt´, ich komm ans HimmelstorUnd finde dich, die Süße!Du saßest bei dem Quell davorUnd wuschest dir die Füße.Du wuschest, wuschest ohne RastDen blendend weißen Schimmer,Begannst mit wunderlicher HastDein Werk von neuem immer.Ich frug: – Was badest du dich hierMit tränennassen Wangen? –Du sprachst: – Weil ich im Staub mit dir,So tief im Staub gegangen.
Es hat den Garten sich zum Freund gemacht,Dann welkten es und er im Herbste sacht,Die Sonne ging und es und er entschlief,Gehüllt in eine Decke weiß und tief.Jetzt ist der Garten unversehns erwacht,Die Kleine schlummert fest in ihrer Nacht."Wo steckst du?" summt es dort und summt es hier.Der ganze Garten frägt nach ihr, nach ihr.Die blaue Winde klettert schlank emporUnd blickt ins Haus: "Komm hinterm Schrank hervor!Wo birgst du dich? Du tust dir´s selbst zu leid!Was hast du für ein neues Sommerkleid?"
Ins Museum bin zu später Stunde heut ich noch gegangen, Wo die Heilgen, wo die Beter Auf den goldnen Gründen prangen. Dann durchs Feld bin ich geschrittenHeißer Abendglut entgegen, Sah, die heut das Korn geschnitten, Garben auf die Wagen legen. Um die Lasten in den Armen, Um den Schnitter und die GarbeFloß der Abendglut, der warmen, Wunderbare Goldesfarbe. Auch des Tages letzte Bürde, Auch der Fleiß der Feierstunde War umflammt von heilger Würde,Stand auf schimmernd goldnem Grunde.
Den ich pflanzte, junger BaumDessen Wuchs mich freute,Zähl ich deine Lenze, kaumSind es zwanzig heute.Oft im Geist ergötzt es michÜber mir im BlauenSchlankes Astgebilde, dichMächtig auszubauen.Lichtdurchwirkten Schatten nurLegst du auf die Matten,Eh du dunkel deckst die Flur,Bin ich selbst ein Schatten.Aber haschen soll mich nichtStyrisches Gesinde,Weichen werd ich aus dem LichtUnter deine Rinde.Frische Säfte rieseln laut,Rieseln durch die Stille.Um mich, in mir webt und bautEwger Lebenswille.Halb bewusst und halb im TraumÜber mir im LichtenWerd ich, mein geliebter Baum,Dich zu Ende dichten.
Am Gestade Palästinas, auf und nieder, Tag um Tag,"London?" frug die Sarazenin, wo ein Schiff vor Anker lag."London!" bat sie lang vergebens, nimmer müde, nimmer zag,Bis zuletzt an Bord sie brachte eines Bootes Ruderschlag.Sie betrat das Deck des Seglers und ihr wurde nicht gewehrt.Meer und Himmel. "London?" frug sie, von der Heimat abgekehrt,Suchte, blickte, durch des Schiffers ausgestreckte Hand belehrt,Nach den Küsten, wo die Sonne sich in Abendglut verzehrt ..."Gilbert?" fragt die Sarazenin im Gedräng´ der großen Stadt,Und die Menge lacht und spottet, bis sie dann Erbarmen hat."Tausend Gilbert gibts in London!" Doch sie sucht und wird nicht matt."Labe dich mit Trank und Speise!" Doch sie wird von Tränen satt."Gilbert!" "Nichts als Gilbert? Weißt du keine andern Worte? Nein?""Gilbert!" ... "Hört, das wird der weiland Pilger Gilbert Beckett sein -Den gebräunt in Sklavenketten glüh´nder Wüste Sonnenschein,Dem die Bande löste heimlich eines Emirs Töchterlein -""Pilgrim Gilbert Becket!" dröhnt es, braust es längs der Themse Strand.Sieh, da kommt er ihr entgegen, von des Volkes Mund genannt,Über seine Schwelle führt er, die das Ziel der Reise fand.Liebe wandert mit zwei Worten gläubig über Meer und Land.
Friede auf Erden Da die Hirten ihre HerdeLießen und des Engels WorteTrugen durch die niedre PforteZu der Mutter und dem Kind,Fuhr das himmlische GesindFort im Sternenraum zu singen,Fuhr der Himmel fort zu klingen:"Friede, Friede! auf der Erde!" Seit die Engel so geraten,O wie viele blutge TatenHat der Streit auf wildem Pferde,Der geharnischte, vollbracht!In wie mancher heil´gen NachtSang der Chor der Geister zagend,Dringlich flehend, leis verklagend:"Friede, Friede...auf der Erde!" Doch es ist ein ew´ger Glaube,Daß der Schwache nicht zum RaubeJeder frechen MordgebärdeWerde fallen allezeit:Etwas wie GerechtigkeitWebt und wirkt in Mord und Grauen,Und ein Reich will sich erbauen,Das den Frieden sucht der Erde. Mählich wird es sich gestalten,Seines heil´gen Amtes walten,Waffen schmieden ohne Fährde,Flammenschwerter für das Recht,Und ein königlich GeschlechtWird erblühn mit starken Söhnen,Dessen helle Tuben dröhnen:Friede, Friede auf der Erde!
Wir Toten, wir Toten sind größere Heere Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere! Wir pflügten das Feld mit geduldigen Taten, Ihr schwinget die Sicheln und schneidet die Saaten, Und was wir vollendet und was wir begonnen, Das füllt noch dort oben die rauschenden Bronnen, Und all unser Lieben und Hassen und Hadern, Das klopft noch dort oben in sterblichen Adern, Und was wir an gültigen Sätzen gefunden, Dran bleibt aller irdische Wandel gebunden, Und unsere Töne, Gebilde, Gedichte Erkämpfen den Lorbeer im strahlenden Lichte, Wir suchen noch immer die menschlichen Ziele – Drum ehret und opfert! Denn unser sind viele!
Am Himmel wächst der Sonne Glut,Aufquillt der See, das Eis zersprang,Das erste Segel teilt die Flut,Mir schwillt das Herz wie Segeldrang.Zu wandern ist das Herz verdammt,Das seinen Jugendtag versäumt,Sobald die Lenzessonne flammt,Sobald die Welle wieder schäumt.Verscherzte Jugend ist ein SchmerzUnd einer ew´gen Sehnsucht Hort,Nach seinem Lenze sucht das HerzIn einem fort, in einem fort!Und ob die Locke dir ergrautUnd bald das Herz wird stille stehn,Noch muß es, wenn die Welle blaut,Nach seinem Lenze wandern gehn.