Den Trümmern stehn des Waldes grüne Wogen Wie frische Myrten der verlass´nen Braut... Mir ist bei jenen halbzerbroch´nen Bogen Als ob ein Aug´ mich sterbend angeschaut. Ob auch die Sonn´ mit einem Strom des Lebens Das sinkende Gemäuer hell begrüßt, Ach, all ihr treues Mühen ist vergebens – Hat je das Leben wach den Tod geküßt?Die Büsche schmiegen ihre zarten Spitzen Wie grüne Schleier um den grauen Bau, Leis rauscht Geröll aus graubemoosten Ritzen, Dazwischen nickt der Glockenblume Blau.Der Efeu zieht sein Netz um Kluft und Spalten, Um jene Zeugen der Vergänglichkeit, Als wollt´ er liebend das zusammenhalten, Was übrig noch aus längstvergang´ner Zeit.So steht dies Werk, verwittert und zerfallen, Ein Bild versunk´ner Größe, überm Tal, Verlassen stehn die hochgewölbten Hallen, Die Jubel einst durchscholl beim Weinpokal.Ich blick´ mit Wehmut auf die düstern Mauern, Die leise der Vernichtung Hauch verheert, Und mein Gemüt durchzieht ein tiefes Trauern... Ich denk an das, was mir einst lieb und wert.
Ich fand ein altes Buch. Die Ruhestatt Darinnen meine Lieder lang gelegen! Es quoll aus dem vergilbten, alten Blatt Mir wahrer Maienblütenhauch entgegen. Mein krankes Herz, vom steten Ringen matt Durchbebte da ein längst vergeß´nes Regen, Es taucht´ empor mein einstig Hoffen, Träumen, Aus der Erinn´rung dunkelgrünen Räumen. Es wallen Geister durch die Dämmerpracht Von längst dahingeschied´nen Lebensplänen. O junges Herz, in deiner Blütenpracht Nahmst du für echtes Gold dies falsche Wähnen! Es wandelt stets des Schicksals finst´re Macht Heimtückisch jeden Wunsch zu bitt´ren Tränen. Die Jugendträume, lieblich und erhaben, Ich hab´ sie alle still und leis´ begraben.
Hoffnung So ist, was kühn das Herz gewollt, zerschellt, Der Hoffnung Grün umhüllt mit Trauerflören, Es glimmen unter jener Trümmerwelt Nur Wünsche noch, die nicht der Welt gehören, Nicht jener Macht, die grausam sich gefällt In ewigem Vernichten und Zerstören. Ruh aus, empörtes Herz, in dem Gedanken, Daß Hoffnungszweige sich ins Jenseits ranken
Hochmütig kann ein großer Geist nicht sein, Reichtum und Mangel haben nichts gemein, Dem Mißton wird sich Wohlklang nie vermählen, Hochmut braucht Raum – den leeren Kopf allein!Ein luftig Reich voll eitel Trug und Schein Wird er sich stets zum Herrschgebiet erwählen!
Klage. Und sollte nicht das Herz erbeben, Gebeugt vom Schicksal, rauh und erzen, Wird ihm ein jeder Schritt durch´s Leben Zum blutigen Markstein neuer Schmerzen? Wenn Menschen seine Welt zerstören, Durch Hohn sein innerst Selbst vernichten? Sollt es sich zürnend nicht empören, Bleibt ihm Enttäuschung und Verzichten? Sein Schrei nach Frieden ist vergebens, Getränkt mit Wermut ward sein Fühlen... Du gold´ner Quell des ew´gen Lebens, Vermagst du einst, dies wegzuspülen?
Sommernacht. Der lichte Tag ist heimgezogen Ins graue Meer vergang´ner Zeit. Wie vieler Glück, wie manches Leid Versinkt mit ihm in jene Wogen.Nun ist die Nacht herabgesunken, Ums stolze Haupt den Strahlenkranz, Den Schleier webt der Mondesglanz, Aus ihrem Mantel sprühen Funken.Wie geisterhaft das Mondlicht zittert Und mit den nächt´gen Schatten ringt. Ein gold´nes Märchen, leichtbeschwingt Schlüpft´s durch die Zweige, zartgegittert.O Sommernacht unnennbar schöne! Du scheuchst mit rätselhafter Macht Aus dem Gemüt die trübe Nacht Berührst dort niegeahnte Töne!Man lernt das Herz nie selbst verstehen, Wenn Tagsgeräusch es wild erregt – Von nächt´gem Schweigen mild bewegt Läßt es uns seine Tiefe sehen.
Träumerische Sonntagsstille!... Fernes, festliches Geläut, Goldner Duft auf allen Wipfeln, Tropfen Tau im Gras verstreut.In verlass´ner Waldkapelle Bebt ein Glöcklein trauernd leise, Ob auch rings die Schöpfung jauchzet, Einsam singt es seine Weise.Und ich weiß, was sie bedeutet... Durch mein ganzes Leben zieht Solch ein Sang – es ist des Schmerzes Nimmer endend Klagelied.Ja, du strahlst und prangst im Lichte, Wunderbare Gotteswelt! Doch das Herz mit seinem Leide Ist als Schatten beigesellt.
Frühlings Lust und Weh. Der greise Winter ist aufs Haupt geschlagen Durch frischen Maienglanz, Der Lenz wirft jubelnd über Feld und Hagen Den bunten Siegerkranz. Der rauhe Nord hielt streng und lang gefangen Den klaren, stillen See. Tief drunten träumt von Frühling voll Verlangen Die blonde Wasserfee.Er löst den Bann. Auf ihre Stirne hauchen Die Lüfte sanften Kuß, Die träumerischen Wasserblüten tauchen Empor als Nixengruß.Der Baum blickt stolz auf seine Blüten nieder – Ein Kind im Festgewand! Die Vöglein singen laute Jubellieder Im Frühlingsland.Nur in mir selbst will jenen Sang begleiten Ein herber Trauerton, Weil meiner Seele halbzerriss´nen Saiten Die Harmonien entfloh´n.Die Klänge lassen sich nicht mehr verbinden, Die das Geschick zerreißt... Drum kann ich den Akkord auch nicht mehr finden, Der süßer Frieden heißt.
Drachenhort Es reift am Lebensbaum in immer neuer Und wechselnder Gestalt wohl manche Frucht, Doch drunter wacht ein mächtig Ungeheuer, Das lauert tückisch, ob der Mensch versucht Nach jenem Schatz die kühne Hand zu heben! Es lächelt hämisch, wenn er kämpft und ringt... O laß die Frucht! Du wirst sie nie erstreben, Weil stets das Ungeheuer sie verschlingt.Die gold´nen Früchte nennt man: Lebensglück, Das Ungeheuer aber Mißgeschick!
Was jammerst du und grämest dich Weil bitt´re Täuschung dir geblieben? Die Menschen sind veränderlich! Stehet im Urbeginn geschrieben:Daß sie für Neues stets entbrannt Zum Wechsel, ihrem Götzen, beten, Und was sie »herrlich« heut genannt, Schon morgen kalt im Staub zertreten.Drum: Will ein einsam Menschenherz Sich nicht zum großen Strome neigen, So muß es wie ein Schild von Erz Die glatte Fläche auswärts zeigen.Muß werden wie der Fels am Strand, Den machtlos Wellen übergießen, Muß wie die Blum´ im Sonnenbrand Sein Edelstes in sich verschließen.Die Klage um sein trüb´ Geschick Muß vor der großen Menge schweigen, Wie sich nur dem geweihten Blick Im Meer versunk´ne Schlösser zeigen!