Mir träumt, ich säß an einem langen TischIn meiner Heimat, oben unterm Nußbaum.Vor meinen Augen wuchsen aus dem AngerTraute Gestalten, reichten mir die HandZum Gruß und setzten fröhlich sich zum Mahl.Ich sprach: "Die Zahl ist voll, laßt uns beginnen."Da kam verspätet eine schöne Frau.Sie suchte, zählte und errötete."Ist hier für mich kein Plätzchen?" "Nein", verbot ich.Da senkte sie die Stirn und lief geschwindDem Tisch entlang hinüber nach dem Nußbaum.Dort, auf dem Acker kauernd, streute sieMit vollen Händen Erde auf ihr Haupt.Und ich ging hin zu ihr und hob sie aufUnd küßt ihr weinend das entsühnte Haupt.
Das Schiff ging seinen steten Gang,das Meer war weit, der Tag war lang.Ich lag im dumpfen Kämmerlein,da kam ein Traum zu mir herein. Mir war, ich stände ohne Zweckund Absicht auf dem Achterdeck.Da flog ein Engel, wohlbekannt,aus meinem teuren Mutterland,schwebt´ auf den Wellen, glitt und schliffim Wettstreit mit dem schnellen Schiff.Die Flügel schwang er durch die Luft,da quoll´s wie Heimatsbergesduft.Dann sang er einen starren Ton.Da leuchtete die Welt davon.Ein zweiter Engel nach ihm sangdenselben starren schönen Klang,und kaum erschloss er seinen Mund,so grünte rings die Welt im Rund.Und immer neue Engel mehrerschienen durch die Luft daher.Mit rosigem Farbentaumeltanzumringten sie das Schiff im Kranz.Jetzt hoben sie sich plötzlich aufund flatterten zum Deck hinauf.Die einen setzten sich aufs Bord,die andern auf die Segelrah´,wohin mein trunk´nes Auge sah,ein liebes Antlitz grüßte dort. Sie wechselten den Platz im Flug.Die Schwingen blitzten Zug auf Zug.Vom Bugspriet bis zum Mastenspitz zuckte der Silberflügel Blitz. Mir ward so wohl, mir ward so weich,ich schrie: »O Gott, wie bin ich reich.« Doch als ich wiederum erwacht´,umfing mich kalte Regennacht.Schnöde Gesichter um mich her,und um und um das öde Meer.Ich leg´ den Kopf auf meinen Arm:»Wie war ich reich, wie bin ich arm.«
Im Traume wars. Ein PilgerschwarmVon Männern und von Frauen zogDurch meine Heimat Hand in Hand,Lobsingend einen süßen Psalm.Im letzten Gliede schreitend folgtIch selig der verwandten Schar.Da schwang durch den harmonischen Chor,Vom Haupt des Zuges, unsichtbarsich eine Stimme jung und frischUnd klar, weithin Gebirg und TalVergoldend mit dem sonnigen Sang.Allein die Stimme jauchzte falsch,Im Tone hinkend und im Takt.Und ob dem wundersamen SangSo schön, so innig und so falsch,Warf ich mich schluchzend auf den Weg,Die Zähne klemmend in die Faust,Die Stirn im heimatlichen Staub.
Wann wars, daß wir lagen im grünen Gras?Im Juli ferne.Was sagtest du, daß du mich habest, was?"Kein bißchen gerne."Was blühte dir in den roten Mund?Mariamargretchen.Wem meintest du, daß du gleichest im Grund?"Einem Gartenbeetchen."Ich sprach: "Ja, was soll ich nun eigentlich Kraut,Wen Unkraut nennen?"Wie ein Iltis hast du mich angeschaut.Nicht zu verkennen.Wir hatten auf unserm SommersitzVergnüglich gedauert.Da kam hinterm Hügel ein KirchturmspitzHervorgelauert."Ja komm nur, du Frommer! und spionier!Spitz Nas´ und Ohren!Notiere dir jeden Kuß wegen mir!Bist stumm geboren.Was nützt dir der Zeiger im ZifferblattAls Stunden zu drehen?Gut, daß er kein Sprachrohr im Schnabel hat,Er würd´ uns verkrähen."Und weil einmal Leichtsinn und Würde nicht sehrZusammenpassen,So schnitten wir eben, es war nicht schwer,Dem Kirchturm Grimassen.Wir stiegen am Abend voll blauen GlücksAus dem grünen Himmel.Da verfolgt uns der Kirchturm hinterrücksMit Glockengebimmel:"Fürio! ihr Leute! Landjäger herbei!Weglagerer, Diebe!Es zünseln, es brenzeln die beiden zweiBrandstiftende Liebe!""Ei, daß dich das Wetter, du Schreihals du!Der Blitz soll dich treffen!Uns erst mit erlogener KirchhofruhSo schändlich zu äffen!"Was hilfts? jetzt weiß doch die Lästerwelt,Wie wir es halten.Drum wollen wir nur um so fester, gelt?Zusammenhalten.
Mir war, ich triebe durch den Ozean,Allein, in einem schlecht gebauten Kahn.Da schwamm von Osten wimmelnd übers MeerEin tausendfüßiger Polyp daher.Und jeder seiner Füße, seiner TastenTrug ein Gesicht, mit Augen, die mich haßten."Ihr Mörder", schrie ich, "wars euch nicht genug,Daß euer Lästerzahn mir Wunden schlug,Die täglich bluten, unaufhörlich schwären?Soll die Verfolgung übers Weltmeer währen?"Umsonst. Schon wälzt er sich ins Boot. Im NuDas Ruder schwingend, schlug ich blindlings zu.Da zitterte das fürchterliche Tier,Als wie zum Tode wund und ließ von mir.Schnellfüßig floh es übers Meer zurück.Die losen Glieder fielen Stück um Stück.Der Mantel starb. Und aus dem eklen LeibErhob sich unversehns ein blühend Weib,Umstrahlt von wundersamem Farbenglanz.Sie lächelte und drehte sich zum Tanz.Die Arme waagrecht wie am Kreuz gehalten,Schlug sie ihr Kleid in prächtigen Flügelfalten.Je ferner, desto holder ihre MienenUnd desto wonniger die Serpentinen.Mit meinen Blicken folgt ich unverwandtDem Zauberspiel, von süßem Schreck gebannt.Und als es endlich meinem Aug entschwand- "Triumph" dacht ich zu rufen siegbewußt -,Da quoll ein Seufzer tief mir aus der Brust.
Horch, welch ein Jubel, welch ein Glockenhall.Die Straße braust von Menschenwogenschwall.Das ist ein Drängen, Wimmeln und GewühlBegeistrungshungrig und erwartungsschwül.Da jauchzt der Aufruhr: "Platz, der Festzug naht."Musik bricht an. Wie ich ans Fenster trat,Sah ich beim Bannergruß und FlaggenwinkenHalbarden glänzen, Morgensterne blinken.Von Samt und Seide lachte Farbenlust,Und frohe Andacht schwellte jede Brust.Plötzlich durch die geputzte SonntagsweltErtönt ein: "Halt!" Ein ferner Hornstoß gellt.Die Menge weicht, das Lebehoch verstummt,Mit dumpfen Schlägen eine Trommel brummt.Über die Brücke stampft, bestaubt, bepackt,Ein schweigend Bataillon in festem Takt.Die Fahne hoch, der Oberst an der Spitze,Und aller Augen sprühen Mutesblitze."Im Zug zu Vieren!" herrscht Kommandoschall,Und durch die Reihen klirrt der Widerhall.Jeder gehorchte ohne Wort und Wank,Und keiner hofft auf Beifall oder Dank.Die Züge schwenken links und rechter Hand -Sagt an, mit welchem zog das Vaterland?
Nachdenklich schritt ein Zaubrer auf und ab:"Was nützt denn sonst ein Zauberstab?Es gilt ja bloß zu wünschen, nur zu handeln;In einen Engel will ich diesen Frosch verwandeln."Er schwang den Stock, rief "Abrada",Und fertig stand der Engel da.Himmlisch und hehr, beschwingt mit Flügeln,Und länger konnt er seine Leidenschaft nicht zügeln.Er baut ihr einen Tempel und AltarUnd bot ihr knieend Weihrauch dar.Den Weihrauch ließ sie liegen -Und schnappte Fliegen.Der Zaubrer lachte: "So war’s nicht gemeint.Ein Lurch gibt keine Lerche, wie es scheint.Wir wollen uns beeilen,Den Frosch zu heilen."Zum Zauberstocke griff er unverwandt.O weh, den hatte sie verbranntWas blieb ihm nun von seinen ZauberschnakenAls mitzuquaken?
Ein Gotenknecht im ApfelbaumTräumt einen jungen Wandertraum.Er hält das Bild der KaiserinUnd schaut zum Waldgebirge hin. Dort, wo am duftgen HorizontDie Frühlingssonne wärmer sonnt,Wo blauer strahlt des Himmels Blau,Dort liegt der benedeite Gau, Dort thront die wunderbare Stadt,Die Ruhm und üppige Frauen hat.Sein Auge netzt ein Tränenstrom,Und seine Lippen lallen "Rom".In einer grauen RegennachtHat er sich heimlich aufgemacht,Und unaufhaltsam weiter fliehtSein Fuß, wohin das Herz ihn zieht. Er leidet Hunger, Durst und Not,Gefahr aus allen Büschen droht;Er nimmt es alles für GewinnUnd küßt das Bild der Kaiserin. In Ravensburg von ungefährLag stationiert ein römisch Heer.Sie peitschten ihn zum AnbeginnUnd schenkten ihn der Kaiserin. Die hörte staunend und gerührtDen Eros, der ihn hergeführt.Sie hat ihn huldvoll angeblicktUnd zu den Bestien hingeschickt. Am Kreuze hing der Gotenknecht.Warum nicht? Das ist römisch Recht.Ein Bär zerfleischte seine Brust.Da hast du römische Sinnenlust.
In dieser Welt, von Übelnkrank, vom Blute rot,tut Geist und Schönheit,tut ein Flecklein Himmel not,ein Glücklicher, der nichtsvom Pfuhl des Jammers weiß,ein Edler, rein von Schuld,ein Held, deß Helmbusch weiß.
Bei strömendem Regen im BiwuakKampierten drei müde Rekruten.Sie legten den Kopf auf den MantelsackUnd zogen den Hals in die KuttenDer Regen rauschte, sie merktens kaum,Und sachte, vom Wunsch zum GedankenBegann in Bälde ein tröstlicher TraumVor ihren Augen zu schwanken.Sie meinten in ihrer Phantasei,Als wären sie schon Generäle,Im Schlachtengetümmel und FeldgeschreiDiktierend die barschen Befehle.Gemeinsam dünkte den dreien vereint,Man wolle sie überflügelnUnd unerschöpflich flute der FeindHerab von den mörderischen Hügeln.Und Adjutanten kämen gesprengt,Bleichwangig, umblitzt von Granaten:"Wir sind umzingelt und eingezwängt.Man meutert. Man wähnt sich verraten."Da sprach der erste: "Ich hab einen KernVon Jägern und von Husaren.Der Teufel ist ledig und Hilfe ist fern,Jetzt gilt es, die Ehre zu wahren."Ingrimmig faßt er den Säbelknauf,Ermahnte zur Pflicht und zur Ehre,Dann vorwärts ging es in rasendem Lauf,Als ob es der Sturmwind wäre.Aus tausend Schlünden zischte der Tod,Sie grüßten ihn ohne Bangen,Die meisten färbten den Boden rot,Er fiel und wurde gefangen.Bewundernd pflegt ihn der edle FeindUnd schenkt ihm den rühmlichen Degen.Er hatte seit Jahren nie geweint,Jetzt spürt er im Auge sich´s regenDer zweite sprach: "Ich habe zur HandEin Häuflein von Veteranen,Ergeben Gott und dem VaterlandGehorsam dem Winke der Fahnen."Rasch formt er das Viereck zum letzten Stoß."Brüder", begann er begeistert,"Gott ist uns dawider, der Feind ist zu groß,Der Tod nur wird niemals bemeistert.Heut heißt es bekunden, was einer wert,Und ob den Vätern wir gleichen.Wir kämpfen, so lange der Atem währt,Und hemmen den Durchpaß als Leichen.""Hurra!" erscholl es wie Donnergebraus.Dann rückten sie mit GesangeLangsam aus dem schirmenden Hohlweg hinausZum heiligen Todesgange.Und als am Abend nach bitterem StreitMan sah nach den Toten und Wunden,Da ward von dem SamaritergeleitEin schaurig Schauspiel gefunden.Zu Bergen starrte die tapfere Schar,Leichnam auf Leichnam geschichtet,Im toten noch boten Trotz sie dar,Das Antlitz feindwärts gerichtet.Und Freund und Gegner entblößten sich stummVor des Anblicks grausiger Schöne,Und flüsternd gings in den Reihen um:"Hier schaut man Heldensöhne."Doch der dritte schweigend die Karte lasAuf der Brüstung der Kirchhofmauer.Mitunter hob er das AugenglasUnd nahm den Feind auf die Lauer.Er spähte nach rechts und spähte nach links,Die Augen funkelnd vor Tücke.Wahrhaftig entdeckt er plötzlicherdingsIm Ring die erlösende Lücke.Und eh einer wußte, wie das geschah,Hatt er flugs in die Bresche geschmissenDie Reserven alle von fern und nahUnd dem Feinde die Walstatt entrissen.Der Regen plätscherte nach wie vor.Da stieg auf verborgenen StegenGewappnet ein riesiger Geist emporUnd schwebte heran durch den Regen.Er nickte dem letzten: "Herr General,Wir lernen uns näher kennen.Ob früher, ob später, es wird einmalDer Ruhm deinen Namen nennen.Ihr andern beide, merkt euch den Satz:Entschlagt euch das Oberbefehlen.In jeglichem Regimente ist PlatzFür mutige Fähndrichsseelen.Pflicht, Ehre, Begeisterung geb ich euch feil,Sich bescheidend im Unterliegen.Generäle brauch ich im Gegenteil,Die nicht vergessen zu siegen."