Wann wars, daß wir lagen im grünen Gras?Im Juli ferne.Was sagtest du, daß du mich habest, was?"Kein bißchen gerne."Was blühte dir in den roten Mund?Mariamargretchen.Wem meintest du, daß du gleichest im Grund?"Einem Gartenbeetchen."Ich sprach: "Ja, was soll ich nun eigentlich Kraut,Wen Unkraut nennen?"Wie ein Iltis hast du mich angeschaut.Nicht zu verkennen.Wir hatten auf unserm SommersitzVergnüglich gedauert.Da kam hinterm Hügel ein KirchturmspitzHervorgelauert."Ja komm nur, du Frommer! und spionier!Spitz Nas´ und Ohren!Notiere dir jeden Kuß wegen mir!Bist stumm geboren.Was nützt dir der Zeiger im ZifferblattAls Stunden zu drehen?Gut, daß er kein Sprachrohr im Schnabel hat,Er würd´ uns verkrähen."Und weil einmal Leichtsinn und Würde nicht sehrZusammenpassen,So schnitten wir eben, es war nicht schwer,Dem Kirchturm Grimassen.Wir stiegen am Abend voll blauen GlücksAus dem grünen Himmel.Da verfolgt uns der Kirchturm hinterrücksMit Glockengebimmel:"Fürio! ihr Leute! Landjäger herbei!Weglagerer, Diebe!Es zünseln, es brenzeln die beiden zweiBrandstiftende Liebe!""Ei, daß dich das Wetter, du Schreihals du!Der Blitz soll dich treffen!Uns erst mit erlogener KirchhofruhSo schändlich zu äffen!"Was hilfts? jetzt weiß doch die Lästerwelt,Wie wir es halten.Drum wollen wir nur um so fester, gelt?Zusammenhalten.
Durch die Pappeln glänzte der Vollmond schon.Mit der Geißel zeigte der Postillon:"Meine Herren, dort oben im MondenscheinDie Mauer, die nennt man den Kummerstein.Es geht eine Sage schaurig und grausDarüber im Lande bei uns zu Haus. Vor alten Zeiten, entschwunden längst,Saß dort an der Straße ein stummes Gespenst.Wer einmal demselben ins Auge gesehn,Mußt selbigen Jahres zugrunde gehn.Schlich traurig umher und härmte sichUnd weinte zuweilen bitterlich.Warum? Ja was weiß ich, es steht nicht im Buch.Es heißt, man behauptet, es war ein Fluch.Die einen glaubens, die andern nicht.´s ist halt so ein Märchen, ´s ist halt ein Gedicht." Die Herrchen verlachten die alberne Mär.Doch als nun die Mauer kam näher daher,Da lief ob dem alten verspotteten WahnEin heimliches Frösteln im Rücken sie an,Indessen der Kutscher vor Angst und NotGespäßlein und Mätzlein zum besten bot.Da sprang in den Acker der Sattelhengst -Wahrhaftig, dort sitzt es, das Kummergespenst!Was schaukelt es auf den Knien sein?Des Kutschers lebendiges Töchterlein.Das lachte gar lustig und wohlgemut.Dem Vater gefror im Herzen das Blut. Doch tröstlich der Geist jetzt zu reden begann:"Habt Frieden! gelöst ist der böse Bann.Der Kummer in meinem tödlichen Blick,Er sang von verschollener Welten Geschick.Weh jenem, der fühlend die Vorzeit begreift:Sein Geist über Ströme von Tränen schweift.Mit Blut bis zum Hals ist die Erde gedüngt,Durch Kinder und Toren wird sie verjüngt.Weißt, wie man dem Fluche den Dorn entreißt?Schaff einen, der von dem Fluche nichts weißt.Man darf, was verschmerzt ist, nicht schmerzen lan,Ich aber will jetzo zur Rüste gahn."Er sprachs und das Kindlein Gott empfahl,Stieg nieder und seufzte zum letztenmal.
In dieser Welt, von Übelnkrank, vom Blute rot,tut Geist und Schönheit,tut ein Flecklein Himmel not,ein Glücklicher, der nichtsvom Pfuhl des Jammers weiß,ein Edler, rein von Schuld,ein Held, deß Helmbusch weiß.
Bei strömendem Regen im BiwuakKampierten drei müde Rekruten.Sie legten den Kopf auf den MantelsackUnd zogen den Hals in die KuttenDer Regen rauschte, sie merktens kaum,Und sachte, vom Wunsch zum GedankenBegann in Bälde ein tröstlicher TraumVor ihren Augen zu schwanken.Sie meinten in ihrer Phantasei,Als wären sie schon Generäle,Im Schlachtengetümmel und FeldgeschreiDiktierend die barschen Befehle.Gemeinsam dünkte den dreien vereint,Man wolle sie überflügelnUnd unerschöpflich flute der FeindHerab von den mörderischen Hügeln.Und Adjutanten kämen gesprengt,Bleichwangig, umblitzt von Granaten:"Wir sind umzingelt und eingezwängt.Man meutert. Man wähnt sich verraten."Da sprach der erste: "Ich hab einen KernVon Jägern und von Husaren.Der Teufel ist ledig und Hilfe ist fern,Jetzt gilt es, die Ehre zu wahren."Ingrimmig faßt er den Säbelknauf,Ermahnte zur Pflicht und zur Ehre,Dann vorwärts ging es in rasendem Lauf,Als ob es der Sturmwind wäre.Aus tausend Schlünden zischte der Tod,Sie grüßten ihn ohne Bangen,Die meisten färbten den Boden rot,Er fiel und wurde gefangen.Bewundernd pflegt ihn der edle FeindUnd schenkt ihm den rühmlichen Degen.Er hatte seit Jahren nie geweint,Jetzt spürt er im Auge sich´s regenDer zweite sprach: "Ich habe zur HandEin Häuflein von Veteranen,Ergeben Gott und dem VaterlandGehorsam dem Winke der Fahnen."Rasch formt er das Viereck zum letzten Stoß."Brüder", begann er begeistert,"Gott ist uns dawider, der Feind ist zu groß,Der Tod nur wird niemals bemeistert.Heut heißt es bekunden, was einer wert,Und ob den Vätern wir gleichen.Wir kämpfen, so lange der Atem währt,Und hemmen den Durchpaß als Leichen.""Hurra!" erscholl es wie Donnergebraus.Dann rückten sie mit GesangeLangsam aus dem schirmenden Hohlweg hinausZum heiligen Todesgange.Und als am Abend nach bitterem StreitMan sah nach den Toten und Wunden,Da ward von dem SamaritergeleitEin schaurig Schauspiel gefunden.Zu Bergen starrte die tapfere Schar,Leichnam auf Leichnam geschichtet,Im toten noch boten Trotz sie dar,Das Antlitz feindwärts gerichtet.Und Freund und Gegner entblößten sich stummVor des Anblicks grausiger Schöne,Und flüsternd gings in den Reihen um:"Hier schaut man Heldensöhne."Doch der dritte schweigend die Karte lasAuf der Brüstung der Kirchhofmauer.Mitunter hob er das AugenglasUnd nahm den Feind auf die Lauer.Er spähte nach rechts und spähte nach links,Die Augen funkelnd vor Tücke.Wahrhaftig entdeckt er plötzlicherdingsIm Ring die erlösende Lücke.Und eh einer wußte, wie das geschah,Hatt er flugs in die Bresche geschmissenDie Reserven alle von fern und nahUnd dem Feinde die Walstatt entrissen.Der Regen plätscherte nach wie vor.Da stieg auf verborgenen StegenGewappnet ein riesiger Geist emporUnd schwebte heran durch den Regen.Er nickte dem letzten: "Herr General,Wir lernen uns näher kennen.Ob früher, ob später, es wird einmalDer Ruhm deinen Namen nennen.Ihr andern beide, merkt euch den Satz:Entschlagt euch das Oberbefehlen.In jeglichem Regimente ist PlatzFür mutige Fähndrichsseelen.Pflicht, Ehre, Begeisterung geb ich euch feil,Sich bescheidend im Unterliegen.Generäle brauch ich im Gegenteil,Die nicht vergessen zu siegen."
Mir träumt, ich schlummert unterm WeidenbuschAm Bachesufer, auf der Himmelswiese,Und mit dem Wasser käm ein schöner MannIm Boot dahergefahren. Längs der FahrtBog er die Büsche auseinander, spähteIn das Versteck und reichte links und rechtsGeschenke, welche er dem Boot enthob.Wo er vorbeizog, scholl ein Dankesschluchzen.Und aus den Wellen sang´s wie Orgelstimme:"Kleingläubige Zweifler, habt ihr´s nicht gespürt?Ihr mußtet leiden, daß ihr lernet wünschen.Ihr mußtet wünschen, daß ich euch´s gewähre.Was jeder ihm verschwiegnen SeelengrundErsehnt, die Träume, die dem eignen HerzenEr nicht verriet, ich habe sie gebucht.Nehmt hin, ich kenne jedes Menschenherz!Nehmt hin, ich kenne jeder Seele Sehnsucht!"Allmählich kam er auch zu mir. NeugierigSchärft ich den Blick, denn keines Wunsches warIch mir geständig. Da entstieg dem NachenEin strahlend Frauenbild, vertraulich winkend,Eilt auf mich zu und lachte mir ins Auge:"Kleingläubiger Zweifler, hast du´s nicht gespürt?"Dann nahm sie meine Hand und führte michDurch blumige Triften nach den blauen Bergen.Viel Fenster lugten auf den Weg, dahinterGesichter, deren Grüße uns vermählten.Wir aber zogen miteinander weiterUnd immer weiter über Berg und Tal,Ohne Verdruß und ohne Müdigkeit,Bis wir verschwanden in gottinniger Ferne.
Es kam einmal vom Himmel her ein Schlitten rot und weiß,Vom Christkind unverhofft gebracht zum Lohn für Gerdas Fleiß.Sie zählte schon das Einmaleins und schrieb das ABC,Und jeden Morgen spähte sie nach dem ersehnten Schnee.Heut stürmt sie nach dem Tannenrain, in Pelze eingehüllt,Das Ohr mit weisem Mahnungswort, das Herz mit Glück gefüllt.Schon sitzt sie, schaut sich trotzig um: "Achtung! Hurra! aus Weg!"O weh, das steife Fuhrwerk bockt im Zickzack krumm und schrägMit offnem Mund keucht sie bergan, versuchts zum andern Mal.Der Schlitten stolpert links und rechts, doch gleitet nie zu Tal.Inzwischen dunkelts im Zenit. Ein flaumig FlockenheerFlüstert vom Himmel leis herab, und einsam wird umher.Ihr wird so bang, ihr wird so kalt, das Weinen steht ihr nah.Und müder stets und matter tönt ihr klägliches Hurra.Sieh da, was blinkt und schimmert dort im Tannendickicht? Schau,Auf einem moosbewachsnen Strunk sitzt eine hehre Frau,Im Königsmantel blank und rein, mit Hermelin bestickt."Soll ich dir helfen, gutes Kind?" versetzt sie. Gerda nickt.Sie nimmt das Mädchen auf den Schoß, fein sanft und warm gewiegt.Juch, wie mit lustgem Federschwung der Schlitten talwärts fliegt!Verschwunden ist die Müdigkeit, das Auge jauchzt und strahlt.Und unversehens glänzt die Welt mit Märchenschein bemahlt.Es lebt der Wald, es singt die Luft, so hold, man glaubt es kaum.Diamanten sprüht das Gletscherfeld und Sterne sprießt der Baum."Gerda!" erscholl der Mutter Ruf. Sie hört es mit VerdrußDie Frau erschrickt, erhebt sich, flieht nach einem kurzen Kuß.Nach sieben Tagen blies der Föhn vom Berge lau und lind.Was weinen und was wimmern so die Glocken durch den Wind?Schulmädchen folgen einem Sarg, den Wagen lenkt der Tod.Verlassen steht im Kämmerlein der Schlitten weiß und rot.Ein grünes Kränzlein liegt darauf mit einem Bibelspruch.Und ewig klafft im Einmaleins ein ungelöster Bruch.