Am Ütliberg im Züribiet,Da steht ein Pulverturm im Riet.Herr Pestalozzi, der Major,Pflanzte drei Mann als Wacht davor."Hier bleibt ihr stehn, ihr Sackerlott,Und daß sich keiner muckst und rodtSonst - Strahl und Hagel - gibts etwas!Verstanden? – Also, merkt euch das."Drauf bog er um den Albisrank,Wo er ein Tröpflein Roten trank.Ein Schöpplein schöpft er oder zwei,Da weckt ihn eine Melodei.Dreistimmig wie ein EngelchorScholls hinterm Pulverturm hervor.Da half kein Zweifeln das ist klar,Die Schildwach jodelte fürwahr.Wer galoppiert jetzt ventre á terreWie Blitz und Strahl vom Albis her?"Vor allem haltet dieses fest,Drei Tage jeder in Arrest.Jawohl, das käm mir just noch recht,Um eines aber bitt ich, sprecht,Wie diese Frechheit euch gelingt,Daß einer auf dem Posten singt?"Da sprach der erste: "Kommandant,Dort unten liegt mein Heimatland.Ich schütz es mit der Flinte mein.Wie sollt ich da nicht lustig sein?"Der zweite sprach: "Herr Pestaluzz,Seht ihr das Rathaus dort am Stutz?Dort wähl ich meine sieben Herrn.Drum dien ich froh, drum leist ich gern."Der dritte sprach: "Ich halt als Norm,´s ist eine Freud die Uniform.´s ist eine mutige Mannespflicht.Da muß man jauchzen oder nicht?"Der Junker schrie: "Zum Teufel hin,Die erste Pflicht heißt Disziplin!Ihr Lauser, wart, euch krieg ich schonGlaubt mirs!" Und wetterte davon.Am selbigen Abend spät indesMeint Oberst Bodmer in der Mess:"Was Kuckucks hat nur der Major,Er kommt mir heut ganz närrisch vor?Singt, pfeift und möggt in seinen BartDas ist doch sonst nicht seine Art."Der Pestalozzi hörte das,Sprang auf den Stuhl und hob sein Glas:"Mein lieber Vetter Ferdinand,Stadtrat und Oberst zubenannt;Wenn einer kommt und hat die EhrUnd dient in solchem MilitärVon wetterfestem Bürgerholz,Gesteift von Trotz gestählt von Stolz,Lausketzer, die man büßen muß,Weil ihnen schildern ein Genuß,Mannschaften, wo der letzte HundHat ein Ideal im Hintergrund -Komm her beim Styx, stoß an beim Eid,Wer da nicht mitmöggt, tut mir leid."
Im Traume wars. Ein PilgerschwarmVon Männern und von Frauen zogDurch meine Heimat Hand in Hand,Lobsingend einen süßen Psalm.Im letzten Gliede schreitend folgtIch selig der verwandten Schar.Da schwang durch den harmonischen Chor,Vom Haupt des Zuges, unsichtbarsich eine Stimme jung und frischUnd klar, weithin Gebirg und TalVergoldend mit dem sonnigen Sang.Allein die Stimme jauchzte falsch,Im Tone hinkend und im Takt.Und ob dem wundersamen SangSo schön, so innig und so falsch,Warf ich mich schluchzend auf den Weg,Die Zähne klemmend in die Faust,Die Stirn im heimatlichen Staub.
Durch die Pappeln glänzte der Vollmond schon.Mit der Geißel zeigte der Postillon:"Meine Herren, dort oben im MondenscheinDie Mauer, die nennt man den Kummerstein.Es geht eine Sage schaurig und grausDarüber im Lande bei uns zu Haus. Vor alten Zeiten, entschwunden längst,Saß dort an der Straße ein stummes Gespenst.Wer einmal demselben ins Auge gesehn,Mußt selbigen Jahres zugrunde gehn.Schlich traurig umher und härmte sichUnd weinte zuweilen bitterlich.Warum? Ja was weiß ich, es steht nicht im Buch.Es heißt, man behauptet, es war ein Fluch.Die einen glaubens, die andern nicht.´s ist halt so ein Märchen, ´s ist halt ein Gedicht." Die Herrchen verlachten die alberne Mär.Doch als nun die Mauer kam näher daher,Da lief ob dem alten verspotteten WahnEin heimliches Frösteln im Rücken sie an,Indessen der Kutscher vor Angst und NotGespäßlein und Mätzlein zum besten bot.Da sprang in den Acker der Sattelhengst -Wahrhaftig, dort sitzt es, das Kummergespenst!Was schaukelt es auf den Knien sein?Des Kutschers lebendiges Töchterlein.Das lachte gar lustig und wohlgemut.Dem Vater gefror im Herzen das Blut. Doch tröstlich der Geist jetzt zu reden begann:"Habt Frieden! gelöst ist der böse Bann.Der Kummer in meinem tödlichen Blick,Er sang von verschollener Welten Geschick.Weh jenem, der fühlend die Vorzeit begreift:Sein Geist über Ströme von Tränen schweift.Mit Blut bis zum Hals ist die Erde gedüngt,Durch Kinder und Toren wird sie verjüngt.Weißt, wie man dem Fluche den Dorn entreißt?Schaff einen, der von dem Fluche nichts weißt.Man darf, was verschmerzt ist, nicht schmerzen lan,Ich aber will jetzo zur Rüste gahn."Er sprachs und das Kindlein Gott empfahl,Stieg nieder und seufzte zum letztenmal.
Flaumflocken flüstern vom Himmel leis.Ein Wandrer steigt über Firn und Eis.Die Schneefrau folgt ihm mit tückischem Schritt:»Halt stille, mein Lieber, und nimm mich mit,Der Abend ist nah, und der Gipfel ist fern.Ich spiel dir zur Kurzweil ein Liedchen gern.«Sie setzt an die Lippe die grüne Schalmei,die jauchzte von Blumen und Lenz und Mai.Er lauschte, die Wangen von Tränen naß,dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß. Und finstrer wölkt sich der dämmernde Schnee.Sie schlich ihm zur Seite auf listiger Zeh´:»Halt! daß ich dir leuchte, du wandelst irrEin freundliches Märchen erzähl´ ich dir.«Eine Ampel zog sie aus ihrem Gewand;Da glänzt ihm vor Augen der Heimat Land,der Hügel, der Garten, die Eltern seinim seligen goldigen Jugendschein.Er schwankte. Schon kürzt er der Schritte Maß,dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß. Und es stürmt und es stöbert mit Sturmesmacht,vom heulenden Felsen gähnt weiße Nacht.Sein Wille versagte, sein Knie versank.Da saß sie auf einer steinernen Bank.»Hier ist es behaglich; komm, setze dich,Ich weiß zu kosen gar minniglich.Und lockt dich der Schlummer und lacht dir ein TraumAn meinem warmen Busen ist Raum.«Sie blickte so lieblich, sie nickte so hold,als ob sich der Himmel ihm öffnen wollt.Er wankt ihr entgegen in taumelndem Laufund fiel ihr zu Füßen - stand nie mehr auf.
Ein Gotenknecht im ApfelbaumTräumt einen jungen Wandertraum.Er hält das Bild der KaiserinUnd schaut zum Waldgebirge hin. Dort, wo am duftgen HorizontDie Frühlingssonne wärmer sonnt,Wo blauer strahlt des Himmels Blau,Dort liegt der benedeite Gau, Dort thront die wunderbare Stadt,Die Ruhm und üppige Frauen hat.Sein Auge netzt ein Tränenstrom,Und seine Lippen lallen "Rom".In einer grauen RegennachtHat er sich heimlich aufgemacht,Und unaufhaltsam weiter fliehtSein Fuß, wohin das Herz ihn zieht. Er leidet Hunger, Durst und Not,Gefahr aus allen Büschen droht;Er nimmt es alles für GewinnUnd küßt das Bild der Kaiserin. In Ravensburg von ungefährLag stationiert ein römisch Heer.Sie peitschten ihn zum AnbeginnUnd schenkten ihn der Kaiserin. Die hörte staunend und gerührtDen Eros, der ihn hergeführt.Sie hat ihn huldvoll angeblicktUnd zu den Bestien hingeschickt. Am Kreuze hing der Gotenknecht.Warum nicht? Das ist römisch Recht.Ein Bär zerfleischte seine Brust.Da hast du römische Sinnenlust.
Mir war, als schlichen sie, die alten Kameraden,Am Abend aus dem Urwald insgeheim,Machten mir Zeichen durch die PalisadenUnd zischelten: "Komm heim."Mit Weib und Kindern trat ich auf die Schwelle:"Da wo ein Baum gewurzelt, da ist seine Stelle.Die Gärtner, die ihn pflanzten, unvergessen.Habs selber oft erwogen und ermessen.Doch jetzt stehts fest in mir:Ich bleibe hier.""Komm heim!" begehrten sie mit zornigem BefehleUnd rüttelten am Tor die Pfähle.Da griff ein rasender OrkanMein schwaches Blockhaus an.Als wie mit tausend HändenPackt er´s zugleich an allen Enden.Den aufgepeitschten Wellen gleichIm sturmgepeitschten MeerSchwankte der Boden brüllend hin und her.Ich aber, stumm und schreckensbleich,Die Kinder an der Hand, mein Weib an meine Brust gepreßt,Stand fest.Und als das Ungewitter endlich sich verzogenUnd lagernd um den Herd am trauten FeuerWir grausend die bestandene Gefahr erwogen:"Das war ein schlimmer Sturm. Nun bin ich euer."
Mir träumt, ich säß an einem langen TischIn meiner Heimat, oben unterm Nußbaum.Vor meinen Augen wuchsen aus dem AngerTraute Gestalten, reichten mir die HandZum Gruß und setzten fröhlich sich zum Mahl.Ich sprach: "Die Zahl ist voll, laßt uns beginnen."Da kam verspätet eine schöne Frau.Sie suchte, zählte und errötete."Ist hier für mich kein Plätzchen?" "Nein", verbot ich.Da senkte sie die Stirn und lief geschwindDem Tisch entlang hinüber nach dem Nußbaum.Dort, auf dem Acker kauernd, streute sieMit vollen Händen Erde auf ihr Haupt.Und ich ging hin zu ihr und hob sie aufUnd küßt ihr weinend das entsühnte Haupt.
Horch, welch ein Jubel, welch ein Glockenhall.Die Straße braust von Menschenwogenschwall.Das ist ein Drängen, Wimmeln und GewühlBegeistrungshungrig und erwartungsschwül.Da jauchzt der Aufruhr: "Platz, der Festzug naht."Musik bricht an. Wie ich ans Fenster trat,Sah ich beim Bannergruß und FlaggenwinkenHalbarden glänzen, Morgensterne blinken.Von Samt und Seide lachte Farbenlust,Und frohe Andacht schwellte jede Brust.Plötzlich durch die geputzte SonntagsweltErtönt ein: "Halt!" Ein ferner Hornstoß gellt.Die Menge weicht, das Lebehoch verstummt,Mit dumpfen Schlägen eine Trommel brummt.Über die Brücke stampft, bestaubt, bepackt,Ein schweigend Bataillon in festem Takt.Die Fahne hoch, der Oberst an der Spitze,Und aller Augen sprühen Mutesblitze."Im Zug zu Vieren!" herrscht Kommandoschall,Und durch die Reihen klirrt der Widerhall.Jeder gehorchte ohne Wort und Wank,Und keiner hofft auf Beifall oder Dank.Die Züge schwenken links und rechter Hand -Sagt an, mit welchem zog das Vaterland?
Bei strömendem Regen im BiwuakKampierten drei müde Rekruten.Sie legten den Kopf auf den MantelsackUnd zogen den Hals in die KuttenDer Regen rauschte, sie merktens kaum,Und sachte, vom Wunsch zum GedankenBegann in Bälde ein tröstlicher TraumVor ihren Augen zu schwanken.Sie meinten in ihrer Phantasei,Als wären sie schon Generäle,Im Schlachtengetümmel und FeldgeschreiDiktierend die barschen Befehle.Gemeinsam dünkte den dreien vereint,Man wolle sie überflügelnUnd unerschöpflich flute der FeindHerab von den mörderischen Hügeln.Und Adjutanten kämen gesprengt,Bleichwangig, umblitzt von Granaten:"Wir sind umzingelt und eingezwängt.Man meutert. Man wähnt sich verraten."Da sprach der erste: "Ich hab einen KernVon Jägern und von Husaren.Der Teufel ist ledig und Hilfe ist fern,Jetzt gilt es, die Ehre zu wahren."Ingrimmig faßt er den Säbelknauf,Ermahnte zur Pflicht und zur Ehre,Dann vorwärts ging es in rasendem Lauf,Als ob es der Sturmwind wäre.Aus tausend Schlünden zischte der Tod,Sie grüßten ihn ohne Bangen,Die meisten färbten den Boden rot,Er fiel und wurde gefangen.Bewundernd pflegt ihn der edle FeindUnd schenkt ihm den rühmlichen Degen.Er hatte seit Jahren nie geweint,Jetzt spürt er im Auge sich´s regenDer zweite sprach: "Ich habe zur HandEin Häuflein von Veteranen,Ergeben Gott und dem VaterlandGehorsam dem Winke der Fahnen."Rasch formt er das Viereck zum letzten Stoß."Brüder", begann er begeistert,"Gott ist uns dawider, der Feind ist zu groß,Der Tod nur wird niemals bemeistert.Heut heißt es bekunden, was einer wert,Und ob den Vätern wir gleichen.Wir kämpfen, so lange der Atem währt,Und hemmen den Durchpaß als Leichen.""Hurra!" erscholl es wie Donnergebraus.Dann rückten sie mit GesangeLangsam aus dem schirmenden Hohlweg hinausZum heiligen Todesgange.Und als am Abend nach bitterem StreitMan sah nach den Toten und Wunden,Da ward von dem SamaritergeleitEin schaurig Schauspiel gefunden.Zu Bergen starrte die tapfere Schar,Leichnam auf Leichnam geschichtet,Im toten noch boten Trotz sie dar,Das Antlitz feindwärts gerichtet.Und Freund und Gegner entblößten sich stummVor des Anblicks grausiger Schöne,Und flüsternd gings in den Reihen um:"Hier schaut man Heldensöhne."Doch der dritte schweigend die Karte lasAuf der Brüstung der Kirchhofmauer.Mitunter hob er das AugenglasUnd nahm den Feind auf die Lauer.Er spähte nach rechts und spähte nach links,Die Augen funkelnd vor Tücke.Wahrhaftig entdeckt er plötzlicherdingsIm Ring die erlösende Lücke.Und eh einer wußte, wie das geschah,Hatt er flugs in die Bresche geschmissenDie Reserven alle von fern und nahUnd dem Feinde die Walstatt entrissen.Der Regen plätscherte nach wie vor.Da stieg auf verborgenen StegenGewappnet ein riesiger Geist emporUnd schwebte heran durch den Regen.Er nickte dem letzten: "Herr General,Wir lernen uns näher kennen.Ob früher, ob später, es wird einmalDer Ruhm deinen Namen nennen.Ihr andern beide, merkt euch den Satz:Entschlagt euch das Oberbefehlen.In jeglichem Regimente ist PlatzFür mutige Fähndrichsseelen.Pflicht, Ehre, Begeisterung geb ich euch feil,Sich bescheidend im Unterliegen.Generäle brauch ich im Gegenteil,Die nicht vergessen zu siegen."
Mir träumt, ich schlummert unterm WeidenbuschAm Bachesufer, auf der Himmelswiese,Und mit dem Wasser käm ein schöner MannIm Boot dahergefahren. Längs der FahrtBog er die Büsche auseinander, spähteIn das Versteck und reichte links und rechtsGeschenke, welche er dem Boot enthob.Wo er vorbeizog, scholl ein Dankesschluchzen.Und aus den Wellen sang´s wie Orgelstimme:"Kleingläubige Zweifler, habt ihr´s nicht gespürt?Ihr mußtet leiden, daß ihr lernet wünschen.Ihr mußtet wünschen, daß ich euch´s gewähre.Was jeder ihm verschwiegnen SeelengrundErsehnt, die Träume, die dem eignen HerzenEr nicht verriet, ich habe sie gebucht.Nehmt hin, ich kenne jedes Menschenherz!Nehmt hin, ich kenne jeder Seele Sehnsucht!"Allmählich kam er auch zu mir. NeugierigSchärft ich den Blick, denn keines Wunsches warIch mir geständig. Da entstieg dem NachenEin strahlend Frauenbild, vertraulich winkend,Eilt auf mich zu und lachte mir ins Auge:"Kleingläubiger Zweifler, hast du´s nicht gespürt?"Dann nahm sie meine Hand und führte michDurch blumige Triften nach den blauen Bergen.Viel Fenster lugten auf den Weg, dahinterGesichter, deren Grüße uns vermählten.Wir aber zogen miteinander weiterUnd immer weiter über Berg und Tal,Ohne Verdruß und ohne Müdigkeit,Bis wir verschwanden in gottinniger Ferne.