Frauenherz. Man sagt: Des Frauenherzens tiefste Tiefen Mit ihren Perlen, die darinnen schliefen, Erwachen erst zum Licht in trüben Tagen, Des Weibes Größe zeigt sich im Entsagen!Muß nicht der Wind erst durch die Saiten dringen, Wenn hell die Äolsharfe soll erklingen?
Den Trümmern stehn des Waldes grüne Wogen Wie frische Myrten der verlass´nen Braut... Mir ist bei jenen halbzerbroch´nen Bogen Als ob ein Aug´ mich sterbend angeschaut. Ob auch die Sonn´ mit einem Strom des Lebens Das sinkende Gemäuer hell begrüßt, Ach, all ihr treues Mühen ist vergebens – Hat je das Leben wach den Tod geküßt?Die Büsche schmiegen ihre zarten Spitzen Wie grüne Schleier um den grauen Bau, Leis rauscht Geröll aus graubemoosten Ritzen, Dazwischen nickt der Glockenblume Blau.Der Efeu zieht sein Netz um Kluft und Spalten, Um jene Zeugen der Vergänglichkeit, Als wollt´ er liebend das zusammenhalten, Was übrig noch aus längstvergang´ner Zeit.So steht dies Werk, verwittert und zerfallen, Ein Bild versunk´ner Größe, überm Tal, Verlassen stehn die hochgewölbten Hallen, Die Jubel einst durchscholl beim Weinpokal.Ich blick´ mit Wehmut auf die düstern Mauern, Die leise der Vernichtung Hauch verheert, Und mein Gemüt durchzieht ein tiefes Trauern... Ich denk an das, was mir einst lieb und wert.
Mahnung. O trauert um edle Menschen nicht, Wenn früh ihr Flug sich zum Jenseits gewendet! Ein mächtiger Wille, ein göttlich Gericht Sie haben den Engel des Todes gesendet. Der Hülle Vernichtung erst führet zum Licht Mit ihrem Zerfall ist die Prüfung geendet So wie ja der Meister die Form auch zerbricht Wenn er seine herrliche Schöpfung vollendet.
Die Sonne will nicht kommen, Die Blumen so traurig sind. »Sie hat Euch alle vergessen«, Spricht höhnisch der kalte Wind.Ein Schlüssel von blankem Golde Ist heller Sonnenschein, Der öffnet die Blumenherzen Und stiehlt sich leise hinein.Nun hat er sie treulos verlassen, Die Blumen weinen allein. Muß immer Lieben und Täuschen So eng denn verbunden sein?
Maßliebchen im Schnee. Was will der Winter in der Blütenzeit? Ward ihm zu eng sein Reich im kalten Norden? Er sah den Frühlingsjubel weit und breit Und sprengte grimmig seines Hauses Pforten.Nun stürmt er wild daher, der rauhe Greis, Bedeckt die junge Frühlingswelt mit Flocken. O zartes Grün, du blickst aus starrem Eis So trüb, wie Myrtenreis aus greisen Locken!Maßliebchen zittert im beschneiten Gras, Es fürchtet sich vor Winters Zorngebärde, Sein neues, grünes Kleid ist tränennaß, Das Köpfchen senkt sich schwer zur kalten Erde.Verschwunden ist der kleinen Krone Gold, Der Blätterkreis hat schützend sich erhoben, Drin ruht des Blümchens Kleinod, süß und hold Geborgen vor der rauhen Stürme Toben.So flüchtet scheu das sinnige Gemüt In sich zurück wie jene Frühlingsblume, Wenn roher Scherz entweiht was still erblüht In seiner Tiefe, seinem Heiligtume.
Frühlings Lust und Weh. Der greise Winter ist aufs Haupt geschlagen Durch frischen Maienglanz, Der Lenz wirft jubelnd über Feld und Hagen Den bunten Siegerkranz. Der rauhe Nord hielt streng und lang gefangen Den klaren, stillen See. Tief drunten träumt von Frühling voll Verlangen Die blonde Wasserfee.Er löst den Bann. Auf ihre Stirne hauchen Die Lüfte sanften Kuß, Die träumerischen Wasserblüten tauchen Empor als Nixengruß.Der Baum blickt stolz auf seine Blüten nieder – Ein Kind im Festgewand! Die Vöglein singen laute Jubellieder Im Frühlingsland.Nur in mir selbst will jenen Sang begleiten Ein herber Trauerton, Weil meiner Seele halbzerriss´nen Saiten Die Harmonien entfloh´n.Die Klänge lassen sich nicht mehr verbinden, Die das Geschick zerreißt... Drum kann ich den Akkord auch nicht mehr finden, Der süßer Frieden heißt.
Sommernacht. Der lichte Tag ist heimgezogen Ins graue Meer vergang´ner Zeit. Wie vieler Glück, wie manches Leid Versinkt mit ihm in jene Wogen.Nun ist die Nacht herabgesunken, Ums stolze Haupt den Strahlenkranz, Den Schleier webt der Mondesglanz, Aus ihrem Mantel sprühen Funken.Wie geisterhaft das Mondlicht zittert Und mit den nächt´gen Schatten ringt. Ein gold´nes Märchen, leichtbeschwingt Schlüpft´s durch die Zweige, zartgegittert.O Sommernacht unnennbar schöne! Du scheuchst mit rätselhafter Macht Aus dem Gemüt die trübe Nacht Berührst dort niegeahnte Töne!Man lernt das Herz nie selbst verstehen, Wenn Tagsgeräusch es wild erregt – Von nächt´gem Schweigen mild bewegt Läßt es uns seine Tiefe sehen.
Was jammerst du und grämest dich Weil bitt´re Täuschung dir geblieben? Die Menschen sind veränderlich! Stehet im Urbeginn geschrieben:Daß sie für Neues stets entbrannt Zum Wechsel, ihrem Götzen, beten, Und was sie »herrlich« heut genannt, Schon morgen kalt im Staub zertreten.Drum: Will ein einsam Menschenherz Sich nicht zum großen Strome neigen, So muß es wie ein Schild von Erz Die glatte Fläche auswärts zeigen.Muß werden wie der Fels am Strand, Den machtlos Wellen übergießen, Muß wie die Blum´ im Sonnenbrand Sein Edelstes in sich verschließen.Die Klage um sein trüb´ Geschick Muß vor der großen Menge schweigen, Wie sich nur dem geweihten Blick Im Meer versunk´ne Schlösser zeigen!
Klage. Und sollte nicht das Herz erbeben, Gebeugt vom Schicksal, rauh und erzen, Wird ihm ein jeder Schritt durch´s Leben Zum blutigen Markstein neuer Schmerzen? Wenn Menschen seine Welt zerstören, Durch Hohn sein innerst Selbst vernichten? Sollt es sich zürnend nicht empören, Bleibt ihm Enttäuschung und Verzichten? Sein Schrei nach Frieden ist vergebens, Getränkt mit Wermut ward sein Fühlen... Du gold´ner Quell des ew´gen Lebens, Vermagst du einst, dies wegzuspülen?