Gedichte von Adelbert von Chamisso

Adelbert von Chamisso

Adelbert von Chamisso

deutscher Dichter und Naturforscher
* 30.1. 1781 - Ante, Châlons-en-Champagne , Frankreich
21.8. 1838 - Berlin

Drei Taler erlegen für meinen Hund!
So schlage das Wetter mich gleich in den Grund!
Was denken die Herrn von der Polizei?
Was soll nun wieder die Schinderei?

Ich bin ein alter, ein kranker Mann,
Der keinen Groschen verdienen kann;
Ich habe nicht Geld, ich habe nicht Brot,
Ich lebe ja nur von Hunger und Not.

Und wann ich erkrankt, und wann ich verarmt,
Wer hat sich da noch meiner erbarmt?
Wer hat, wann ich auf Gottes Welt
Allein mich fand, zu mir sich gesellt?

Wer hat mich geliebt, wann ich mich gehärmt?
Wer, wann ich fror, hat mich gewärmt?
Wer hat mit mir, wann ich hungrig gemurrt,
Getrost gehungert und nicht geknurrt?

Es geht zur Neige mit uns zwein,
Es muß, mein Tier, geschieden sein;
Du bist, wie ich, nun alt und krank,
Ich soll dich ersäufen, das ist der Dank!

Das ist der Dank, das ist der Lohn!
Dir geht´s wie manchem Erdensohn.
Zum Teufel! ich war bei mancher Schlacht,
Den Henker hab ich noch nicht gemacht.

Das ist der Strick, das ist der Stein,
Das ist das Wasser, – es muß ja sein.
Komm her, du Köter, und sieh mich nicht an,
Noch nur ein Fußstoß, so ist es getan.

Wie er in die Schlinge den Hals ihm gesteckt,
Hat wedelnd der Hund die Hand ihm geleckt,
Da zog er die Schlinge sogleich zurück
Und warf sie schnell um sein eigen Genick.

Und tat einen Fluch, gar schauderhaft,
Und raffte zusammen die letzte Kraft,
Und stürzt´ in die Flut sich, die tönend stieg,
Im Kreise sich zog und über ihm schwieg.

Wohl sprang der Hund zur Rettung hinzu,
Wohl heult´ er die Schiffer aus ihrer Ruh,
Wohl zog er sie winselnd und zerrend her, –
Wie sie ihn fanden, da war er nicht mehr.

Er ward verscharret in stiller Stund,
Es folgt´ ihm winselnd nur der Hund,
Der hat, wo den Leib die Erde deckt,
Sich hingestreckt und ist da verreckt.

Ich will in dieser Rinne sterben,
Bin alt und siech genug dazu;
Sie mögen mich "betrunken" schelten,
Mir recht! sie lassen mich in Ruh,
Die werfen mir noch ein’ge Groschen,
Die wenden ab ihr Angesicht;
Ja, eilt nur, eilt zu euren Festen,
Zum Sterben brauch’ ich euch doch nicht.

Vor Alter muß ich also sterben,
Man stirbt vor Hunger nicht einmal;
Ich hofft’ in meinen alten Tagen
Zuletzt noch auf ein Hospital;
Soviel des Elends gibt’s im Volke,
Man kommt auch nirgends mehr hinein;
Die Straße war ja meine Wiege,
Sie mag mein Sterbebett auch sein.

Lehrt mich ein Handwerk, gebt mir Arbeit,
Mein Brot verdienen will ich ja;-
Geh betteln! hieß es, Arbeit? Arbeit?
Die ist für alle Welt nicht da.
Arbeite! schrien mich an, die schmausten,
Und warfen mir die Knochen zu;
Ich will den Reichen doch nicht fluchen,
Ich fand in ihren Scheunen Ruh.

Ich hätte freilich stehlen können,
Mir schien zu betteln minder hart;
Ich habe höchstens mir am Wege
ein paar Kartoffeln ausgescharrt,
Und immer allerorten steckte
Die Polizei mich dennoch ein,
Mir raubend meine einz’ge Habe –
Du Gottes Sonne bist ja mein!

Was kümmert mich Gesetz und Ordnung,
Gewerb und bürgerliches Band?
Was euer König, eure Kammern?
Sagt, hab ich denn ein Vaterland?
Und dennoch, als in euern Mauern
Der Fremde Herr zu sein gemeint,
Der Fremde, der mich reichlich speiste,
Ich Narr, wie hab ich da geweint.

Ihr hättet mich erdrücken sollen,
als ich das Licht der Welt erblickt;
Ihr hättet mich erziehen sollen,
Wie sich’s für einen Menschen schickt.
Ich wäre nicht der Wurm geworden,
Den ihr euch abzuwehren sucht;
Ich hätt’ euch brüderlich geholfen
Und euch im Tode nicht geflucht.

Gedichte by Adelbert von Chamisso
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