Und manchmal wissen wir´s:´s klopft jemand an,Der Brüder einer, müder Wandersmann.Wir wissen, jemand steht in Nacht und Graus,Und seines Klopfens Hallen ist im Haus.Sein zagend Flehen dringt zu uns herein:Im Namen Gottes, Brüder laßt mich ein!Und hören stumm sein Klopfen, seine Bitte.Zu Tür und Riegel braucht´s nur dreier Schritte,Nur dreier Worte braucht´s: Komm Bruder, du!Sie bleiben ungesprochen und die Tür bleibt zu.Und jener Wandrer geht, wie er gekommen. –Dann horchen wir, dann ahnen wir beklommenUnd schauen plötzlich tief und wissen klar,Daß jener Pilgrim Gottes Bruder war.
Es sprach der Geist: Sieh auf! - Die Luft umblauteein unermeßlich Mahl, so weit ich schaute;da sprangen reich die Brunnen auf des Lebens,da streckte keine Schale sich vergebens,da lag das ganze Volk auf vollen Garben,kein Platz war leer, und keiner durfte darben.
Mir träumt´, ich komm ans HimmelstorUnd finde dich, die Süße!Du saßest bei dem Quell davorUnd wuschest dir die Füße.Du wuschest, wuschest ohne RastDen blendend weißen Schimmer,Begannst mit wunderlicher HastDein Werk von neuem immer.Ich frug: – Was badest du dich hierMit tränennassen Wangen? –Du sprachst: – Weil ich im Staub mit dir,So tief im Staub gegangen.
Fingerhütchen Liebe Kinder, wißt ihr, wo Fingerhut zu Hause? Tief im Tal von Acherloo Hat er Herd und Klause; Aber schon in jungen Tagen Muß er einen Höcker tragen, Geht er, wunderlicher nie Wallte man auf Erden! Sitzt er, staunen Kinn und Knie, Daß sie Nachbarn werden. Körbe flicht aus Binsen er, Früh und spät sich regend, Trägt sie zum Verkauf umher In der ganze Gegend, Und er gäbe sich zufrieden, Wär´ er nicht im Volk gemieden; Denn man zischelt mancherlei: Daß ein Hexenmeister, Daß er kräuterkundig sei Und im Bund der Geister. Solches ist die Wahrheit nicht, Ist ein leeres Meinen, Doch das Volk im Dämmerlicht Schaudert vor dem Kleinen. So die Jungen wie die Alten Weichen aus dem Ungestalten - Doch vorüber wohlgemut Auf des Schusters Räppchen Trabt er. Blauer Fingerhut Nickt von seinem Käppchen. Einmal geht er heim bei Nacht Nach des Tages Lasten, Hat den halben Weg gemacht, Darf ein bißchen rasten, Setzt sich und den Korb daneben, Schimmernd hebt der Mond sich eben: Fingerhut ist gar nicht bang, Ihm ist gar nicht schaurig, Nur daß noch der Weg so lang, Macht den Kleinen traurig. Etwas hört er klingen fein - Nicht mit rechten Dingen, Mitten aus dem grünen Rain Ein melodisch Singen: "Silberfähre, gleitest leise" - Schon verstummt die kurze Weise. Fingerhütchen spähet scharf Und kann nichts entdecken, Aber was er hören darf, Ist nicht zum Erschrecken. Wieder hebt das Liedchen an Unter Busch und Hecken, Doch es bleibt der Reimgespan Stets im Hügel stecken. "Silberfähre, gleitest leise" - Wiederum verstummt die Weise. Lieblich ist, doch einerlei Der Gesang der Elfen, Fingerhütchen fällt es bei, Ihnen einzuhelfen. Fingerhütchen lauert still Auf der Töne Leiter, Wie das Liedchen enden will, Führt er leicht es weiter: "Silberfähre, gleitest leise" - "Ohne Ruder, ohne Gleise." Aus dem Hügel ruft´s empor: "Das ist dir gelungen!" Unterm Boden kommt hervor Kleines Volk gesprungen. "Fingerhütchen, Fingerhut", Lärmt die tolle Runde, "Faß dir einen frischen Mut! Günstig ist die Stunde! Silberfähre, gleitest leise Ohne Ruder, ohne Gleise! Dieses hast du brav gemacht, Lernet es, ihr Sänger! Wie du es zustand gebracht, Hübscher ist´s und länger! Zeig dich einmal, schöner Mann! Laß dich einmal sehen! Vorn zuerst und hinten dann! Laß dich einmal drehen! Weh! Was müssen wir erblicken! Fingerhütchen, welch ein Rücken! Auf der Schulter, liebe Zeit, Trägst du grause Bürde! Ohne hübsche Leiblichkeit Was ist Geisteswürde? Eine ganze Stirne voll Glücklicher Gedanken, Unter einem Höcker soll Länger nicht sie schwanken! Strecket euch, verkrümmte Glieder! Garstger Buckel, purzle nieder! Fingerhut, nun bist du grad, Deines Fehls genesen! Heil zum schlanken Rückengrat! Heil zum neuen Wesen!" Plötzlich steckt der Elfenchor Wieder tief im Raine, Aus dem Hügelrund empor Tönt´s im Mondenscheine: "Silberfähre, gleitest leise Ohne Ruder, ohne Gleise." Fingerhütchen wird es satt, Wäre gern daheime, Er entschlummert laß und matt An dem eignen Reime. Schlummert eine ganze Nacht Auf derselben Stelle, Wie er endlich auferwacht, Scheint die Sonne helle: Kühe weiden, Schafe grasen Auf des Elfenhügels Rasen. Fingerhut ist bald bekannt, Läßt die Blicke schweifen, Sachte dreht er dann die Hand, Hinter sich zu greifen. Ist ihm Heil im Traum geschehn? Ist das Heil die Wahrheit? Wird das Elfenwort bestehn Vor des Tages Klarheit? Und er tastet, tastet, tastet: Unbebürdet! Unbelastet! "Jetzt bin ich ein grader Mann!" Jauchzt er ohne Ende, Wie ein Hirschlein jagt er dann Über Feld behende. Fingerhut steht plötzlich still, Tastet leicht und leise, Ob er wieder wachsen will? Nein, in keiner Weise! Selig preist er Nacht und Stunde, Da er sang im Geisterbunde - Fingerhütchen wandelt schlank, Gleich als hätt´ er Flügel, Seit er schlummernd niedersank Nachts am Elfenhügel.
Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten,Die Frevler - hast du viel dabei gelitten?Ich selber habe sorglich dich verbundenUnd traue: Junger Baum, du wirst gesunden!Auch ich erlitt zu schier derselben StundeVon schärferm Messer eine tiefre Wunde.Zu untersuchen komm ich deine täglich,Und meine fühl ich brennen unerträglich.Du saugest gierig ein die Kraft der Erde,Mir ist, als ob auch ich durchrieselt werde!Der frische Saft quillt aus zerschnittner RindeHeilsam. Mir ist, als ob auch ichs empfinde!Indem ich deine sich erfrischen fühle,Ist mir, als ob sich meine Wunde kühle!Natur beginnt zu wirken und zu weben,Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben!Wie viele, so verwundet, welkten, starben!Wir beide prahlen noch mit unsern Narben!
Mit edeln Purpurrötenund hellem Amselschlag,mit Rosen und mit Flötenstolziert der junge Tag.Der Wanderschritt des Lebensist noch ein leichter Tanz,ich gehe wie im Reigenmit einem frischen Kranz.Ihr taubenetzten Kränze,der neuen Morgenkraft,geworfen aus den Lüftenund spielend aufgerafft -Wohl manchen ließ ich welkennoch vor der Mittagsglut;zerrissen hab ich manchenaus reinem Übermut.Mit edeln Purpurrötenund hellem Amselschlag, mit Rosen und mit Flötenstolziert der junge Tag -Hinweg, du dunkle Klage,aus all dem Licht und Glanz! Den Schmerz verlorner Tagebedeckt ein frischer Kranz.
Geh nicht, die Gott für mich erschuf!Laß scharren deiner Rosse Huf den Reiseruf. Du willst von meinem Herde fliehn? Und weißt ja nicht wohin, wohin dich deine Rosse ziehn!Die Stunde rinnt, das Leben jagt! Wir haben uns noch nichts gesagt –Bleib, bis es tagt!Du willst aus meinen Armen fliehn? Und weißt ja nicht wohin, wohin dich deine Rosse ziehn…
Heute fanden meine Schritte mein vergeßnes Jugendtal, Seine Sohle lag verödet, seine Berge standen kahl. Meine Bäume, meine Träume, meine buchendunkeln Höhn –Ewig jung ist nur die Sonne, sie allein ist ewig schön. Drüben dort in schilf´gem Grunde, wo die müde Lache liegt, Hat zu meiner Jugendstunde sich lebend´ge Flut gewiegt, Durch die Heiden, durch die Weiden ging ein wandernd Herdgetön –Ewig jung ist nur die Sonne, sie allein ist ewig schön.
Wie fühl´ ich heute deine Macht! Als ob sich deine Wimper schatte Vor mir auf diesem ampelhellen Blatte Um Mitternacht! Dein Auge sieht Begierig mein entstehend Lied. Dein Wesen neigt sich meinem zu, Du bist´s! Doch deine Lippen schweigen – Und liesest du ein Wort, das zart und eigen, Bist´s wieder du, Dein Herzensblut, Indes dein Staub im Grabe ruht. Mir ist, wann mich dein Atem streift, Der ich erstarkt an Kampf und Wunden, Als sei´st in deinen stillen Grabesstunden Auch du gereift An Liebeskraft, An Willen und an Leidenschaft. Die Marmorurne setzten dir Die Deinen – um dich zu vergessen, Sie erbten, bauten, freiten unterdessen, Du lebst in mir! Wozu beweint? Du lebst und fühlst mit mir vereint!
Du warest mir, ein täglich Wanderziel,viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen.Ich hatte dir geträumtes Glück sovielanzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen.Und wieder such ich dich, du dunkler Hort,und deines Wipfelmeeres gewaltig Rauschen –Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort!Verstummt ist Klang und Jubel.Ich will lauschen.