In meinem Leben gab es böse Jahre –Wie jene aus der Bibel waren´s sieben –Da hat mich ein Verhängniß umgetrieben,Ich wandelte – und lag doch auf der Bahre.Nicht ein Erinnern, das ich voll bewahreAus jener Zeit, wo, ohne Frucht geblieben,Mein Geist in ödem Denken sich zerrieben,Und Gram und Sorge bleichten meine Haare!Gleich schwerem Traum zerfloß ihr dunkles Walten,Und auf vernarbte Wunden kann ich zeigen,Kaum wissend mehr, von wem ich sie erhalten.Nur manchmal, einzeln und in wirrem Reigen,Auftauchen schattenhafte Mahngestalten:Männer und Frau´n, die wie aus Gräbern steigen.
Wieder die ersten sonnigen Hauche,Lockend hinaus vor die düstere Stadt,Wieder am zitternden, treibenden StraucheDie ersten Knospen, das erste Blatt.Wieder auf leis´ ergrünenden HängenErsten Veilchens lieblicher Fund,Wieder mit ersten JubelgesängenHebt sich die Lerche vom scholligen Grund.Werdenden Frühlings verkündende Zeichen,Alte Genossen von Lust und Schmerz,Ach, wie entzückt ihr, ihr ewig Gleichen,Ewig aufs neue das Menschenherz!
Ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.Ringsum qualmt Selbstsucht und Hoffart zum Himmel,Laster und Torheit wuchern in üppiger BlüteUnd lustig schießen empor die tauben Halme der Eitelkeit.Und siehe: die Welt erträgt es!Sie erträgt es nicht bloß,Sie opfert der Selbstsucht,Beugt sich der Hoffart,Mästet Torheit und LasterUnd schmeichelt der Eitelkeit.Aber wehe dir, arme Seele,Wenn zu Tage tritt,Daß auch du staubgeboren,Und einmal dich betreten lässestauf menschlicher ArtUnd menschlicher Schwäche.Da geifert´s sogleich in der Runde!Da predigt die Selbstsucht Entsagung,Die Hoffart Demut,Das Laster Tugend –Und Torheit und EitelkeitHaben für dich ein Lächeln des Hohnes . . .Fürwahr ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.
Ja, der Winter ging zur Neige,holder Frühling kommt herbei,Lieblich schwanken Birkenzweige,und es glänzt das rote Ei.Schimmernd wehn die Kirchenfahnenbei der Glocken Feierklang,und auf oft betretnen Bahnennimmt der Umzug seinen Gang.Nach dem dumpfen Grabchoraletönt das Auferstehungslied,und empor im Himmelsstrahleschwebt er, der am Kreuz verschied.So zum schönsten der Symbolewird das frohe Osterfest,daß der Mensch sich Glauben hole,wenn ihn Mut und Kraft verläßt.Jedes Herz, das Leid getroffen,fühlt von Anfang sich durchweht,daß sein Sehnen und sein Hoffenimmer wieder aufersteht.
Oft ist es mir, als säh´ ich niedergleitenDie Schleier still und leise von den Dingen,Mein Auge kann das weite All durchdringenUnd blickt zurück zum Urquell aller Zeiten.Ich sehe, wie die Fäden sich bereiten,Wie sie sich knüpfen, kreuzen und verschlingen –Und so die Tage immer näher bringen,Die zu den unsren ernst herüberleiten.Dann fühl´ ich mit dem Fernsten mich verwobenUnd in mir leben jedes Einzelleben,Das hier geatmet und geblickt nach oben.Mein eignes Ich, mit tiefgeheimem Beben,Seh´ ich zur Welt erweitert und erhoben –Und mit ihr, wie ein Traum, in Nichts verschweben.
Lächelt nur wissensstolzVon euren BücherhekatombenUnd euren Kathedern herab,Wenn der Dichter singt:Selig sind die Armen im Geiste!Ja, selig sind sie –Selig wie Kinder,Die, halb noch an nährender Mutterbrust,Halb schon die ersten Schritte tun,Von Blumen und Faltern gelenktUnd vom Zwitschern des Vogels,Aber verschüchtert sogleichVor jedem rauschenden LufthauchZurück sich flüchten in die schützende Hut.Nur Nächstes im Auge,Greifen sie nach dem Nächsten nur –Und so leben sie hinGute und böse Tage,Harmlos, als müßt´ es so sein,Nur das eigene Wohl und Weh bedenkend.Inzwischen schreitet an ihnen vorüber die ZeitUnd reißt die AhnungslosenWie im Traum mit sich fort.Und wenn sie dann plötzlichErwachen bei unsanftem Ruck,Blicken sie auf und fragen in rührender Unschuld: was ist? –Ja, was ist!? Ihr andernKönnt es ihnen sagen:Denn ihr wißt es.Dann horchen sie aufUnd stehen beschämt –Und klug wie zuvor.Sie begreifen nichts,Sie lernen nichts,Und fremd bleibt ihnen alles,Was ihr preist als die höchsten Triumphe der Menschheit.Aber dafür auchBleibt ihnen erspart die letzte Erkenntnis:Die Erkenntnis der eigenen NichtigkeitUnd das öde BewußtseinVon des ewigen Einerlei trostloser Wiederkehr.
Weh´ dem, der da sein eignes Tun zu richtenBegonnen hat! Dann zählt er zu den KrankenUnd schaudernd fühlt er keimen den Gedanken:Sich selbst erkennen, heißt sich selbst vernichten.Denn auf sein Wesen muß er stumm verzichten,Und wie die liebsten Hoffnungen ihm sanken,Lebt er dahin in haltlos ödem SchwankenUnd wünscht den Tod herbei, die Qual zu schlichten.Darum frohlockt nicht so beim Weiterschreiten!Das Dasein ist ein großes Sichbesinnen –Und ein Erkennen jeder Sieg im Streiten.Die Menschheit wird sich selber nicht entrinnen,Denn ob sie scheinbar auch nach außen leiten:Die Fäden führen doch zuletzt nach innen.
Jahr um Jahr hab´ ich gerungenUnd erlitten Schmerz um Schmerz;Aber stark und unbezwungenHielt sich mein gequältes Herz.Wie sich auch die Wolken ballten,Wie das Leben sich verschwor –Mit stets reinerem EntfaltenSchwang sich still mein Geist empor.Treu erglühend für das Echte,Hab´ ich fast das Ziel erreicht;Blickt mich an, ihr ew´gen Mächte:Dieser Scheitel ist gebleicht.Und die Flamme meines LebensNeigt sich mählich zum Verglüh´n –Gönnt mir noch den Rest des Strebens,Gönnt mir noch ein letztes Müh´n.Laßt mich noch getrost vollenden,Was ich ernst und fest begann,Und auf sanften GötterhändenTraget mich von hinnen dann! –Also fleh´ ich, von den SchwingenDer Erfüllung leis umweht –Und doch fürchtend, daß mein RingenIm Verhängnis untergeht!
Schelte man doch nicht den Dichter,Wenn auch er zuweilen sinkt,Und wie anderes GelichterAus des Lebens Pfütze trinkt.Reiner nur in Gegensätzen,Heller tönt empor sein Lied;Nimmer weiß das Licht zu schätzen, Wer das Dunkel stets vermied.Wie ihn auch sein Wipfel kröne,Wurzelt doch in Nacht und Stamm –Und der Lilie keusche SchöneBlühet aus des Teiches Schlamm!
O wein´ dich aus an meiner Brust,Laß in dein Herz mich seh´n;Und wärst du noch so schuldbewußt:Ich kann dich ganz versteh´n.Denn nennen kannst du mir kein Leid,Das nicht schon traf auch mich;Auch mir droht noch Vergangenheit –Und schuldig war auch ich.Auch meine Wange hat gebranntIn der Beschämung Rot –Verloren hab´ ich mich genanntUnd mir erhofft den Tod.D´rum wein´ dich aus an meiner Brust,Ich kann dich ganz versteh´n,Und wärst du noch so schuldbewußt:Getröstet wirst du geh´n!