Das aber ist des Alters Schöne,daß es die Saiten reiner stimmt,daß es der Lust die grellen Töne,dem Schmerz den herbsten Stachel nimmt.Ermessen läßt sich und verstehendie eigne mit der fremden Schuld,und wie auch rings die Dinge gehen,du lernst dich fassen in Geduld.Die Ruhe kommt erfüllten Strebens,es schwindet des verfehlten Pein -und also wird der Rest des Lebensein sanftes Rückerinnern sein.
Das aber ist das Traurigste: zu sehen,Wie tief die Menschheit wurzelt im Gemeinen,Wie Taten, die uns hier die höchsten scheinen,Zumeist aus niedrem Antrieb nur geschehen.Wie es die Besten selbst so schwer verstehen,Daß man nur schöpfen dürfe aus dem Reinen,Und wie es gibt von Tausenden kaum einen,Der sich den eignen Vorteil läßt entgehen.Und so geschiet es, daß in diesem LebenEin hoher Sinn gereicht zu Hohn und Schande,Ward des Erfolges Glanz ihm nicht gegeben.Und so geschieht´s auch, daß sich bis zum RandeGewinnsucht füllt, indes ein selbstlos StrebenVersiegen muß, so wie der Quell im Sande.
Was an Schmerzen du erfahren,Ist vergessen auch zur Stund´,Küßt nach langen, öden JahrenWieder dich ein schöner Mund.Was die Zeit an Ruhm dir raubte,Hast du doppelt reich und schnell,Wenn dein Kranz, der früh entlaubte,Wieder ausschlägt grün und hell.Darum sel´ge Tränen weine,Wird dir noch ein spätes Glück:Denn es bleibt nun auch das deine,Und kein Gott nimmt´s mehr zurück!
Lächelt nur wissensstolzVon euren BücherhekatombenUnd euren Kathedern herab,Wenn der Dichter singt:Selig sind die Armen im Geiste!Ja, selig sind sie –Selig wie Kinder,Die, halb noch an nährender Mutterbrust,Halb schon die ersten Schritte tun,Von Blumen und Faltern gelenktUnd vom Zwitschern des Vogels,Aber verschüchtert sogleichVor jedem rauschenden LufthauchZurück sich flüchten in die schützende Hut.Nur Nächstes im Auge,Greifen sie nach dem Nächsten nur –Und so leben sie hinGute und böse Tage,Harmlos, als müßt´ es so sein,Nur das eigene Wohl und Weh bedenkend.Inzwischen schreitet an ihnen vorüber die ZeitUnd reißt die AhnungslosenWie im Traum mit sich fort.Und wenn sie dann plötzlichErwachen bei unsanftem Ruck,Blicken sie auf und fragen in rührender Unschuld: was ist? –Ja, was ist!? Ihr andernKönnt es ihnen sagen:Denn ihr wißt es.Dann horchen sie aufUnd stehen beschämt –Und klug wie zuvor.Sie begreifen nichts,Sie lernen nichts,Und fremd bleibt ihnen alles,Was ihr preist als die höchsten Triumphe der Menschheit.Aber dafür auchBleibt ihnen erspart die letzte Erkenntnis:Die Erkenntnis der eigenen NichtigkeitUnd das öde BewußtseinVon des ewigen Einerlei trostloser Wiederkehr.
Ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.Ringsum qualmt Selbstsucht und Hoffart zum Himmel,Laster und Torheit wuchern in üppiger BlüteUnd lustig schießen empor die tauben Halme der Eitelkeit.Und siehe: die Welt erträgt es!Sie erträgt es nicht bloß,Sie opfert der Selbstsucht,Beugt sich der Hoffart,Mästet Torheit und LasterUnd schmeichelt der Eitelkeit.Aber wehe dir, arme Seele,Wenn zu Tage tritt,Daß auch du staubgeboren,Und einmal dich betreten lässestauf menschlicher ArtUnd menschlicher Schwäche.Da geifert´s sogleich in der Runde!Da predigt die Selbstsucht Entsagung,Die Hoffart Demut,Das Laster Tugend –Und Torheit und EitelkeitHaben für dich ein Lächeln des Hohnes . . .Fürwahr ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.
Wie lieb´ ich es, an SonntagnachmittagenAllein zu sitzen im vertrauten Zimmer;Durchs Fenster bricht der Sonne heller Schimmer,Das Buch vergoldend, das ich aufgeschlagen.Die Straßen; es rollen keine Wagen;Des Marktes Lärm verstummt, als wär´s auf immer,Und all des Sonntagsstaates bunter Flimmer,Er ward hinaus in Wald Flur getragen.Verlassen fühlt sich, wer zurückgeblieben,Und manches schöne Auge blickt verdrossen,Und manche Wünsche unerfüllt zerstieben.Es ruht das Leben, wie in sich zerflossen;Doch still erfüllt sich auch geheimes Lieben,Und einsam wird des Geistes Glück genossen.
Es ist des Menschen Fluch und sein Verhängnis,Daß seine Fehler sicher wirkend schreitenUnd, offenkundig rings, ihm gleich bereitenJedweden Schmerz und jegliche Bedrängnis.Sein Bestes aber lebt wie im GefängnisUnd seine Tugenden sind Heimlichkeiten;Er selber muß sie zweifelnd oft bestreiten,Rauh überlassen seiner Herzensbängnis.Denn diese Welt, so rasch im Schulderkennen,So gern bereit, werktätig sich zu zeigen,Sobald es gilt, ein Schandmal aufzubrennen:Sie hüllt sich allsogleich in starres Schweigen,Soll sie ein echt Verdienst beim Namen nennenUnd einem hohen Wollen sich verneigen.
Wieder mit Flügeln, aus Sternen gewoben,Senkst du herab dich, o heilige Nacht;Was durch Jahrhunderte alles zerstoben –Du noch bewahrst deine leuchtende Pracht.Ging auch der Welt schon der Heiland verloren,Der sich dem Dunkel der Zeiten entrang,Wird er doch immer aufs neue geboren,Nahst du, Geweihte, dem irdischen Drang.Selig durchschauernd kindliche Herzen,Bist du des Glaubens süßester Rest;Fröhlich begangen bei flammenden Kerzen,Bist du das schönste, das menschlichste Fest.Leerend das Füllhorn beglückender Liebe,Schwebst von Geschlecht zu Geschlecht du vertraut –Wo ist die Brust, die verschlossen dir bliebe,Nicht dich begrüßte mit innigstem Laut?Und so klingt heut noch das Wort von der Lippe,Das einst in Bethlehem preisend erklang,Strahlet noch immer die lieblichste Krippe –Tönt aus der Ferne der Hirten Gesang .....Was auch im Sturme der Zeiten zerstoben –Senke herab dich in ewiger Pracht,Leuchtende du, aus Sternen gewoben,Frohe, harzduftende, heilige Nacht!
Wer einmal einen tiefen Schmerz erlitten,Ist nicht mehr jung. Bis dahin war er´s,Und hätte silberweiß sein Haar bereitsDen tiefgebeugten Scheitel ihm umglänzt.Wer zählt die Jahre, wenn er glücklich ist?Er lebt und weiß nicht, daß er lebt.Der Schmerz erst ist die Grenze, wo wir weinendZurück und schaudernd vorwärts blicken.
Wie lieb´ ich euch,Leise schwankende Pappeln,Die ihr gesammelten WuchsesZum Himmel aufstrebt!Freilich wohlErreicht ihr ihn nicht –Aber hoch empor ragt ihrüber niedres Gestrüpp nicht bloßUnd den verkrüppelten Fruchtbaum:Auch die mächtige Eiche,Die schattenspendende LindeLaßt ihr unter euch.Und mit ihnenDie dumpfen Wohnungen der Menschen,Deren kurzer Blick, dem Nützlichen zugewandt,Nur selten an euch, den Nutzlosen,Empor sich hebt,Indes ihr,Weithin überschauend die Landschaft,Selig einsam die Häupter wiegetIm ewigen Äther.