Was an Schmerzen du erfahren,Ist vergessen auch zur Stund´,Küßt nach langen, öden JahrenWieder dich ein schöner Mund.Was die Zeit an Ruhm dir raubte,Hast du doppelt reich und schnell,Wenn dein Kranz, der früh entlaubte,Wieder ausschlägt grün und hell.Darum sel´ge Tränen weine,Wird dir noch ein spätes Glück:Denn es bleibt nun auch das deine,Und kein Gott nimmt´s mehr zurück!
In meinem Leben gab es böse Jahre –Wie jene aus der Bibel waren´s sieben –Da hat mich ein Verhängniß umgetrieben,Ich wandelte – und lag doch auf der Bahre.Nicht ein Erinnern, das ich voll bewahreAus jener Zeit, wo, ohne Frucht geblieben,Mein Geist in ödem Denken sich zerrieben,Und Gram und Sorge bleichten meine Haare!Gleich schwerem Traum zerfloß ihr dunkles Walten,Und auf vernarbte Wunden kann ich zeigen,Kaum wissend mehr, von wem ich sie erhalten.Nur manchmal, einzeln und in wirrem Reigen,Auftauchen schattenhafte Mahngestalten:Männer und Frau´n, die wie aus Gräbern steigen.
O nie in eitlem Hochmuth sprich es aus,Daß Dieser oder Jener nichts bedeute;Mit deinem letzten Urtheil halte Haus:Denn nicht so leicht ergründest du die Leute.In Jedem schlummert eine sond´re Kraft,Vielleicht noch von ihm selber unbeachtet,Die plötzlich sich emporhebt, geisterhaft,Und nimmer duldet, daß man sie verachtet.Und so geschieht es, daß oft Weisheit sprichtAus Solchen, die wie Thoren stets erschienen,Daß heil´ger Muth aus schwachen Seelen bricht –Du aber stehst sodann beschämt vor ihnen.Das heißt, wenn du nicht ganz verhärtet bistUnd fähig noch, in Reue zu entbrennen;Wer vor der Wahrheit gerne sich verschließt,Wird sie zuletzt auch gar nicht mehr erkennen.
Das aber ist das Traurigste: zu sehen,Wie tief die Menschheit wurzelt im Gemeinen,Wie Taten, die uns hier die höchsten scheinen,Zumeist aus niedrem Antrieb nur geschehen.Wie es die Besten selbst so schwer verstehen,Daß man nur schöpfen dürfe aus dem Reinen,Und wie es gibt von Tausenden kaum einen,Der sich den eignen Vorteil läßt entgehen.Und so geschiet es, daß in diesem LebenEin hoher Sinn gereicht zu Hohn und Schande,Ward des Erfolges Glanz ihm nicht gegeben.Und so geschieht´s auch, daß sich bis zum RandeGewinnsucht füllt, indes ein selbstlos StrebenVersiegen muß, so wie der Quell im Sande.
Ja, der Winter ging zur Neige,holder Frühling kommt herbei,Lieblich schwanken Birkenzweige,und es glänzt das rote Ei.Schimmernd wehn die Kirchenfahnenbei der Glocken Feierklang,und auf oft betretnen Bahnennimmt der Umzug seinen Gang.Nach dem dumpfen Grabchoraletönt das Auferstehungslied,und empor im Himmelsstrahleschwebt er, der am Kreuz verschied.So zum schönsten der Symbolewird das frohe Osterfest,daß der Mensch sich Glauben hole,wenn ihn Mut und Kraft verläßt.Jedes Herz, das Leid getroffen,fühlt von Anfang sich durchweht,daß sein Sehnen und sein Hoffenimmer wieder aufersteht.
Oft ist es mir, als säh´ ich niedergleitenDie Schleier still und leise von den Dingen,Mein Auge kann das weite All durchdringenUnd blickt zurück zum Urquell aller Zeiten.Ich sehe, wie die Fäden sich bereiten,Wie sie sich knüpfen, kreuzen und verschlingen –Und so die Tage immer näher bringen,Die zu den unsren ernst herüberleiten.Dann fühl´ ich mit dem Fernsten mich verwobenUnd in mir leben jedes Einzelleben,Das hier geatmet und geblickt nach oben.Mein eignes Ich, mit tiefgeheimem Beben,Seh´ ich zur Welt erweitert und erhoben –Und mit ihr, wie ein Traum, in Nichts verschweben.
Frühe schon aus leisem Schlummer Stört mich auf der wache Kummer, Und mit stumm getrag´ner Pein Schreit´ ich in den Tag hinein. Immer schwerer das Vollbringen, Immer selt´ner das Gelingen, Und es schwindet die Geduld – Und ich fühl´ die eig´ne Schuld. Fühl´ es mit geheimem Beben: Uferlos verrinnt mein Leben In ein Meer von Qual und Noth – Komm´, o komme, Tod!
Ich kenne einen Menschen, der als Anachoret,Wie einst die heil´gen Büßer, auf hoher Säule steht.Im Sommer brennt hernieden versengend heißer Strahl,Im Winter muß er dulden des Frostes starre Qual.Der Glieder freies Regen, es ist ihm, ach, verwehrt;Von ferne muß er schauen, was tief sein Herz begehrt.Stumm geht die Welt vorüber und reicht ihm kühl hinan,Was seine Pein verlängern, doch sie nicht lindern kann.So steht er viele Jahre – gern stürzt´ er sich hinab,Doch schaudert ihm noch immer vorm Sprung ins tiefe Grab.Man wird ihn seh´n dort oben, bis einst sein Hauch entwich:Die Säule ist das Leben – der Mensch jedoch bin ich.
Es ist des Menschen Fluch und sein Verhängnis,Daß seine Fehler sicher wirkend schreitenUnd, offenkundig rings, ihm gleich bereitenJedweden Schmerz und jegliche Bedrängnis.Sein Bestes aber lebt wie im GefängnisUnd seine Tugenden sind Heimlichkeiten;Er selber muß sie zweifelnd oft bestreiten,Rauh überlassen seiner Herzensbängnis.Denn diese Welt, so rasch im Schulderkennen,So gern bereit, werktätig sich zu zeigen,Sobald es gilt, ein Schandmal aufzubrennen:Sie hüllt sich allsogleich in starres Schweigen,Soll sie ein echt Verdienst beim Namen nennenUnd einem hohen Wollen sich verneigen.
Wer da zu früh die Gunst der Welt erfahrenUnd ihres Beifalls Übermaß errungen,Der wird sofort, von Hochmut rasch durchdrungen,Die menschliche Gemeinheit offenbaren.Schon auf dem Gipfel wird er sich gewahren,Gewappnet, wie dem Haupt des Zeus entsprungen;Verachten wird er dreist der Wahrheit Zungen,Ungnädig sein – auch gegen Schmeichlerscharen.Er fühlt sich, und die höchste selbst der KronenVermag ihm keine Demut einzuflößen:Daß er sie trägt, soll euch, nicht ihn belohnen.Blickt doch nur hin nach euren Ruhmesgrößen,Wie sie da rings als schnöde Götzen tronen,Zum Dank euch weisend ihre Hinterblößen.